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Rau und doch verletzlichMelissa EtheridgeBatschkapp, Frankfurt, 19.4.2015
Text: Michael Pohl
Bereits der Programmname signalisiert, wo es lang geht: „This is M. E.“ – Melissa Etheridge auf Solotour, ohne jegliche Begleitmusiker, ganz auf sich selbst fokussiert. Keine Schnörkel, keine Zugeständnisse. Die Künstlerin und ihre unbestrittenen Singer/Songwriter-Qualitäten stehen im Vordergrund. Sparsam ausgelegte Teppiche und bunte Nachttischlämpchen entlang des extrem ,,vielsaitigen“ Gitarrensammelsuriums suggerieren heimelige Wohnzimmeratmosphäre, was angesichts der eintausendfünfhundert Zuhörer in der ausverkauften, nüchternen Stahlkonstruktion des Frankfurter Batschkapp ein optisch schwieriges Unterfangen ist. Dennoch kann der Traditionsclub dank seiner fast vier Jahrzehnte langen Erfahrung mit angenehm familiärem Personal die notwendige Wohlfühlstimmung bei den Besuchern hervorrufen.
Mit dem grammygekrönten „Ain’t It Heavy“ startet Melissa Etheridge in ihre gut zweistündige Songauswahl. Ist das neue Album mit lediglich fünf Titeln scheinbar unterrepräsentiert, so kann gerade diese Auswahl im Konzert ihre volle emotionale Intensität entfalten und durch außergewöhnliche Arrangements gefallen. „Monster“ spielt Etheridge eindrucksvoll in rauem, bluesigem Gewand, die Mundharmonika setzt dem Ganzen das Sahnehäubchen auf. Am Flügel sorgt die Künstlerin gefühlvoll mit „Who Are You Waiting For“ für Gänsehautstimmung und für die Gewissheit, dass hier jemand mehr als nur extrem gut klampfen kann. Ihre in den Songtexten so ausdrucksstark offengelegte Verletzlichkeit wird unmittelbar spürbar. Melissa Etheridge verkörpert zwar als sich outende Powerfrau für viele ihrer Fans die Ikone lesbischer Partnerschaft, aber es ist ihre spürbare Normalität, es sind die in ihren Liedern verarbeiteten psychischen und physischen Lebenskrisen, welche die stets zahlreich mitreisenden Fans stärken und ermutigen.
Souveräne Gelassenheit gepaart mit nahezu kindlicher Experimentierfreude ist während des Konzerts spürbar. Etheridge hat die Loopmaschine für sich entdeckt, und so wird zunächst munter mit Tamburin, Cajon oder Gitarrenkorpus ein rhythmischer Rahmen in Endlosschleife gebastelt, über welche sie dann ihre diversen Gitarren und ihren Gesang zu einer Einheit legt. Dazwischen auf einem Steinway-Flügel das beinahe soulige Joan-Armatrading-Cover „The Weakness In Me“ zu spielen, sei im Vergleich zu früheren Zeiten mit klapprigen Pianos kalifornischer Bars vor gerade mal einem Dutzend Zuhörern eine erfreuliche Weiterentwicklung, so die Musikerin augenzwinkernd.
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