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Hans Well & Wellbappn * Foto: Martin Bolle

SHORTstory


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Aktuelles Album:

Didl-Dudl
(Kunstmann, 2019)


Cover Didldudl


Wellbappn

Frischzellenkur für Stubenmusi

„Das ist das Beste, was Bayern in Sachen Musik-Kabarett oder besser: Musik-Satire zu bieten hat!“, schreibt der Nürnberger Plärrer über die Wellbappn, die zu drei Vierteln aus der nächsten Generation der großen Musikerfamilie Well aus Günzlhofen im Bayernland stammen.

Text: Ulrich Joosten

Nachdem sich Anfang 2012 die Kultband Biermösl Blosn nach 36 Jahren politisch-satirischer Stubenmusi aufgelöst hat, bleibt einer der drei Brüder, Hans Well, Haupttexter und Mastermind der Gruppe, „mehr oder weniger ratlos“ zurück und denkt ans Aufhören. „Aber der Kabarettist Dieter Hildebrandt“, sagt er, „hat mir streng zugeredet, doch unbedingt weiterzumachen.“ Ein Jahr lang arbeitet er mit Michael von Mücke (Kofelgschroa) und der Geigerin Monika Drasch (Bairisch-Diatonischer Jodelwahnsinn) zusammen, ehe ihn seine damals schon erwachsenen Kinder „mehr oder weniger nötigten, mit ihnen einen Auftritt zu probieren. Nach diesem Auftritt in Augsburg mit exzellenter Kritik in der dortigen Zeitung konnte ich nicht mehr aus. Ich hab’s nie bereut.“

Seit 2013 gibt es das Quartett mit dem Namen Wellbappn. Eine Bappn bezeichnet „im süddeutschen Sprachraum nicht nur das Mundwerk, sondern hat eine klare Färbung Richtung loses, despektierliches Lästermaul“, erklärt Hans Well. „Und natürlich musste auch der Familienname Well enthalten sein, der mindestens in Bayern für gute Volksmusik mit zeitgenössischem Bezug steht.“

Dass das Quartett aus Multiinstrumentalisten besteht, verwundert bei diesen Äpfeln vom Stamm der Musikerfamilie nicht weiter. Tabea Well hat einen Abschluss im Fach Volksmusik mit Schwerpunkt Geige und zeichnet als studierte Musikerin vornehmlich für die Arrangements verantwortlich. Auf der Bühne teilt sie sich mit Schwester Sarah (Bratsche) und Bruder Jonas (Trompete) eine beeindruckende Zahl an Instrumenten, darunter Mandoline, Saxofon, Ukulele, Cello, Kontrabass, Scherrzither und Bouzouki. Ihren alpinen Musiktraditionen verpassen die Geschwister mit instrumentaler Virtuosität eine gekonnte weltmusikalische Frischzellenkur. Vater Hans „dilettiert“ dazu, wie er sagt, auf Gitarre, Steirischer Harmonika, Alphorn oder Tuba – und singt, wie seine Kinder. Wobei sich die genderparitätische Besetzung mit je zwei Damen- und Herrenstimmen bei vierstimmigen Gesangssätzen besonders hübsch macht.

Die leise Befürchtung interfamiliärer Reibungen ist seit dem ersten Auftritt 2013 verflogen. „Auf der Bühne“, sagt Well, „sind wir Kollegen – und zwar gleichberechtigt!“ Nach den live aufgenommenen Alben Unterbayernüberbayern (2013) und Schneller (2015) ist ihre aktuelle CD Didl-Dudl (2019) erstmals eine Studioproduktion. „Diesmal wollten wir ausprobieren, ob die musikalische Qualität dadurch besser wird, was zweifelsohne gelungen ist“, sagt Well. Zehn neue Heimatlieder in bayerischer Mundart sind auf dem Album. Die Handschrift der satirisch-bissigen und saukomischen gesellschaftskritischen Texte ist unverkennbar die Hans Wells. Und der hat nichts an sprachlichem Witz und politischer Schärfe verloren, ist stets am Puls der Zeit und legt den Finger in die Wunde. Er seziert den Klimawandel, Missbrauch in der katholischen Kirche, Rechtsextremismus in Sachsen und die Auswirkungen einer Glyphosat-Düngung. Dabei können Wells Texte heute, wie er sagt, „schneller umgesetzt werden. Diese drei jungen Hupfer singen ein Lied dreimal durch und können den Text auswendig. Dadurch sind wir schön aktuell. Unsere Kunst besteht ja nicht darin, einen Missstand zu benennen – da sind Zeitungen besser –, sondern darin, etwas Unterhaltsames mit dem nötigen Biss und dem bestmöglichen Witz oder Spott auf die Bühne zu bringen. Und das gelingt mit den Wellbappn viel leichter als in den letzten zehn Jahren mit der Biermösl Blosn.“