Aktuelles Album: Shelter (Nonesuch Records, 2018)
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Olivia ChaneyGroße Kunst zwischen Formalität und Freiheit
Die Welt ist schlecht, ganz ohne Frage. Denn was momentan politisch abgeht – vom jeweils Privaten ganz zu schweigen –, lässt uns verständlicherweise manchmal nach Schutz suchen. Da kommt die Engländerin Olivia Chaney mit ihrer aktuellen Produktion Shelter gerade recht, zumal das Album hält, was der Titel verspricht.
Text: Mike Kamp
Schutz gewähren ist vor allem emotional zu verstehen. Das wird deutlich durch die Klammer, die der Opener „Shelter“ und „House On A Hill“ als letztes Stück bilden, zwischen der Bitte um Wärme, Essen und Schutz und der erfreulichen Erkenntnis, dass man in dem Haus auf dem Hügel weniger materielle Dinge benötigt. „Ja, das war auch so gewollt. Das sind die Lieder, die mir sozusagen umgehend zugeflogen sind, als ich mich in die Wildnis von North Yorkshire begab, um zu schreiben. Diese spezielle Erfahrung hat wahrscheinlich auch die anderen Songs der CD beeinflusst, was deren Inhalt und Form angeht.“
Olivia Chaney erinnerte sich an die heruntergekommene Hütte im Familienbesitz, als sie nach einem Inspirationsort für ihr zweites Album suchte. Erst das zweite? Jawohl, aber Chaney ist in den vergangenen Jahren unzählige interessante und unterschiedliche Kooperationen eingegangen, von Alasdair Roberts über das Kronos Quartet bis hin zu den Decemberists, mit denen sie letztes Jahr als Offa Rex eine wunderbare Folkrock-CD einspielte. Ihre musikalischen Interessen und Wurzeln sind vielschichtig. „Als Künstlerin sucht man natürlich immer weiter, aber ich denke, je älter ich werde, umso tiefer reichen diese Wurzeln.“ Sie nennt unter anderem die frühen Klassiker – „O Solitude“ von Henry Purcell hat sie für Shelter bearbeitet –, das deutsche Lied von Schubert und Schumann, Pop von Prince und Kate Bush oder Künstler wie Joni Mitchell und Leonard Cohen als ihre Ausgangskoordinaten. „Ich denke, Songs – egal ob Kunstlied, Pop- oder Folksong – sind eine unglaubliche Ausdrucksform, obwohl ich nicht genau weiß, wo ich mich da einsortieren sollte. Vielleicht bin ich eine Geschichtenerzählerin, die versteckte Schichten und Bedeutungen eher durch Metaphern erforscht als durch wortwörtliche Geschichten.“
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