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Möllner FolksfestWeltoffene Begegnungen in einer Kleinstadt
Am 23. November 1992 kamen bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag auf zwei von türkischstämmigen Menschen bewohnte Häuser in Mölln drei Menschen ums Leben. Das seit 1993 alle zwei Jahre stattfindende Folksfest mit regionalen Gruppen und internationalen Topbands ist eine Reaktion auf diese Tat.
Text: Jens-Peter Müller
Corona-bedingt hat der veranstaltende Verein Miteinander leben beschlossen, das 16. Möllner Folkfest nicht, wie geplant, vom 2. bis 7. Juni durchzuführen, sondern die Programmpunkte über die zweite Jahreshälfte 2020 zu verteilen. Einen Auftakt für das durch die regelmäßig von Deutschlandradio Kultur übertragenen Konzerte überregional bekannt gewordene Festival gab es schon Ende November 2019 mit den Auftritten des syrisch-palästinensischen Pianisten und Schriftstellers Aeham Ahmad. Das Schulkonzert und die musikalische Lesung von Ausschnitten seines Buches Und die Vögel werden singen stellten gleichzeitig den Abschluss der jährlichen Gedenkwoche zu den Brandanschlägen vor 27 Jahren dar. Jörg-Rüdiger Geschke, künstlerischer Leiter des ausschließlich ehrenamtlich organisierten Folksfestes, erinnert daran, dass damals in Mölln zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Menschen durch ein rassistisches Verbrechen ums Leben kamen. Schon am 16. Dezember 1992 gründeten alteingesessene und neu zugezogene Möllner wie die jungen Lehrer Jörg Geschke und Manfred Kerl daraufhin den Verein Miteinander leben. Man traf sich in verschiedenen Arbeitsgruppen zu Themen wie Rechtsextremismus und Nachbarschaftshilfen, entwickelte die Internationale Begegnungsstätte in der Alten Lohgerberei sowie die Idee des Folksfestes, das dann gleich im Sommer des Jahres 1993 mit kostenfreien Open-Air-Konzerten auf dem Möllner Marktplatz über die Bühne ging.
Herausforderungen gesucht
Getragen von der Euphorie des ersten Erfolges stellten sich Geschke und Kerl, die als regelmäßige Teilnehmer des internationalen Folktreffens auf dem Jugendhof Scheersberg und Vorstandsmitglieder der damals noch jungen LAG Folk Schleswig-Holstein Kontakte in die Folksszene hatten, immer neuen Herausforderungen. 2002 gelang es ihnen zusammen mit Deutschlandradio Kultur das Festival der Europäischen Radiounion (EBU) nach Mölln zu holen. Seitdem gibt es zu den Musik- und Tanzdarbietungen an den Samstagnachmittagen und -abenden freitags immer ein Radiokonzert im wunderschönen, intimen Ambiente des historischen Stadthauptmannshofes; in diesem Jahr zu einem noch bekannt zu gebenden Zeitpunkt mit einem Auftritt von Dota zum Themenschwerpunkt „Politisches Lied“.
Nach dem Wegzug Manfred Kerls kam mit Mark Sauer als neuem Festivalchef Anfang der Nullerjahre ein noch stärker politisch motivierter Mitarbeiter in das Team. Er und Geschke waren der Ansicht, dass einfach nur ein Konzert auf dem Marktplatz als Botschaft auf die Dauer zu mager ist. „Wir wollten, dass sich die Kulturen durchdringen, anstatt sich nur wahrzunehmen“, erzählt Geschke. Seitdem spielen unter dem Motto „Share my Music“ vor dem Festivalwochenende fast alle Gruppen auch in Möllner Schulen und in denen der Umgebung. „Bis zu zweitausend Besucher auf dem Marktplatz in Mölln sind ein nettes Publikum, aber mit den Schulkonzerten erreichen wir mehr“, so Geschke. Seine Anregungen zum Programm bekommt der künstlerische Leiter aus seinen vielfältigen Engagements in der Musikszene. Rudolstadt-Besucher kennen ihn als Moderator in der Stadtkirche. Den Aufgabenbereich „Musik und Bildung“, für den er als Vorstandsmitglied im Landesmusikrat Schleswig-Holstein zuständig ist, führt ihn regelmäßig zu Festivals und Messen nach Skandinavien, wo dieses Thema eine lange Tradition hat.
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