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Fairport Convention in der Union Chapel * Foto: Heidrun Richter

Ortstermin


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Party zum Fünfzigstene

Fairport Convention

Union Chapel, London, 27.5.2017



Text: Uli Twelker

Dass die britische Folkrocklegende ihr goldenes Jubiläum fünfzig Jahre nach den Anfängen in Hampstead wie schon ihr 45-Jähriges in den Räumlichkeiten der legendären Veranstaltungskirche feiern würde, in der Procol Harum 2004 ein Livealbum aufnahmen, führte zu einer solch unerhörten Nachfrage, dass das Konzert bereits im Winter-Tourbuch der Band als ausverkauft gekennzeichnet wurde. Auf dem Gehweg vor dem Islingtoner Gotteshaus findet sich entsprechend eine hundert Meter lange Schlange, während im wunderschönen Innenraum bereits per Sitzkissen die meisten Claims abgesteckt sind, die Bar rappelvoll mit Gästen.
Als das in Ehren ergraute Quintett pünktlich die Bühne betritt, ist der Beifall derart tosend, dass Kopf und Gründer Simon Nicol – laut ehemaligem Fairport-Schlagzeuger Dave Mattacks „der beste begleitende Akustikgitarrist der Welt“ – so abgeklärt wie glücklich mahnt: „Save yourselves!­ — Hebt euch noch was auf!“ Sodann macht Nicol klar, dass dies ein „Business-as-usual“-Konzert werden wird und es keine Langlebigkeitsgeheimnisse zu verraten gibt: „Das Geheimnis am Weitermachen ist – weiterzumachen!“
Was könnte passender sein, als dann mit „Our Bus Rolls On“ zu beginnen, der launigen Nummer des ewigen Youngsters Chris Leslie, jenes sympathischen und jugendhaften Fiddlers, Gitarristen und Tenorvokalisten, der sich längst zum Hauptsongschreiber und Kofrontmann der Band gemausert hat. Man stellt sich Fairport Convention hier wie auf ihrem launigen Schnappschuss im Retro-Bulli vor. Überhaupt gelingt das Dramaturgiependel. Auf das traurige „Genesis Hall“ folgt „Devil’s Work“, zu dessen Refrain „I’m doing the DIY“ Dave Pegg, Bassist der zweiten Stunde und seit 1969 dabei, amüsiert erläutert, wie amateurhaft er seine Außenbar in Frankreich zimmerte. Gelächter, als wäre man bei einer Stand-up-Comedy!
Wie zahlreiche Songs an diesem Abend stammt „Devil’s Work“ vom Jubliläumsalbum 50:50@50, das neues Studiomaterial mit frischen Livemitschnitten mischt. Gitarrist P. J. Wright – Peggys Duopartner und Stütze beim Fairport-Nebenprojekt The Dylan Project mit Steve Gibbons – schrieb die schöne Sommerballade „Summer By The Cherwell“, in deren Anschluss Violinist Ric Sanders die therapeutischen Vorzüge instrumentaler Fiddletunes hervorhebt und nebenbei zu herrlichem Trump-Bashing ausholt – etwa per Anti-Attentat-Warnruf „Donald, duck!“ oder Wortspielen wie „Ivanka and a wanker“. „Danny Jack’s Reward“ glänzt dann als bestechende Perle aus seinem unerschöpflichen Reelrepertoire. Die Synkopierungen der Nummer klingen leicht nach Jethro Tull – kein Wunder, waren doch Pegg und Drummer Gerry Conway einst Tull-Mitglieder.
Simon Nicol klärt das BBC-Missverständnis hinsichtlich einer angeblichen All-Star-Revue in der Union Chapel auf: Die Legionen von ehemaligen Mitgliedern wie Drummer Dave Mattacks oder Gitarrist Richard Thompson würden beim großen jährlichen Fairport-Festival im August in Cropredy, Oxfordshire, sicher nicht fehlen. Im Londoner Stadtteil Islington gab es immerhin schon mal die nach wie vor mit makelloser Stimme gesegnete Jacqui McShee von Pentangle für das wehmütige Traditional „The Lady Of Carlisle“ zu hören.
Die philosophische Ballade „Who Knows Where The Time Goes“ vom gleichnamigen Album bleibt untrennbar mit Fairports zweiter, unvergesslichster Sängerin Sandy Denny verbunden – hier anmutig und berührend interpretiert von der langjährigen Bandfreundin Sally Barker, die den Jüngeren im Mehr-Generationen-Gotteshaus durch die Talentshow The Voice bekannt sein dürfte (siehe auch Beitrag in Folker 2/2017). Sanders und Leslie liefern hier Fiddles in Stereo – Ersterer wird sich Abend für Abend erinnern, wie Zweiterer ihn vor zwei Jahrzehnten fiedelnd vertrat, weil sein Kumpel in eine Glaswand gerannt war. Prost! Das erste Set endet jedoch auf einer fröhlichen Note, als Chris Leslie sein Banjo für „Bring Me Back My Feathers“ von Fairport-Freundin Anna Ryder herausholt, deren Song auf Myths & Heroes verewigt wurde. Die folgende Pause hätten die Fairport-Jünger den fünf Veteranen sicher gegönnt, aber der Wunsch nach Nähe siegt auf beiden Seiten. Die Musiker lassen sich nahe dem Merchandisingstand auf Plaudereien und Autogramme ein – keine Spur von Routine oder Ruhebedürfnis, und das bei dichtestem Tourprogramm.
Akt zwei beginnt mit einem, wie Nicol meint, „Kernstück des traditionellen Folkrepertoires“, der tragischen schottischen Ballade „Sir Patrick Spens“, die Fairport Convention bereits 1970 auf ihrem Album Full House veröffentlichten. Hardcorefans jedoch wissen, dass Sandy Denny den Song bereits ein Jahr vorher für Liege & Lief sang, wo er später als Bonustrack zur Geltung kam. „John Gaudie“ brachten Fairport auch beim 45-jährigen Jubiläum 2012 in der Union Chapel, und Ric Sanders kann seine Freude an seinen Fiddle-Einwürfen intensivieren, indem er beim Instrumental „Portmeirion“ die Hauptrolle übernimmt. Bei der Ankündigung zu „Rising For The Moon“ kommt Dave Pegg ins Grübeln – es ist das Titelstück seines zweitliebsten Albums nach Liege & Lief, bei dem er ganz knapp noch nicht mitspielte, ganz bestimmt. Aber war er auf Rising For The Moon dabei? (War er.) Jedenfalls kehrt die ewig jugendliche Sally Barker für diesen Ohrwurm zurück, gefolgt von „Farewell, Farewell“, das aber weder das Finale ankündigt noch eine Zeitreise ins Jahr 1969 zu besagtem Liege & Lief bietet, sondern in der Call-and-Response-Version vom 2012er-Wunschalbum By Popular Request dargeboten wird. Simon Nicol findet anschließend dankbare Worte für den seit den Anfangstagen mit Fairport verbundenen Kollegen Ralph McTell. Der schrieb das anrührende Balladenjuwel „The Hiring Fair“ für das Comeback der Band 1985 mit Gladys’ Leap, dem Einstand von Ric Sanders.
„Eleanor’s Dream“ ist der eingängige Opener der neuen Platte, während mit dem vielstrophigen „Matty Groves“ einer der unverzichtbaren Klassiker der Band aufgefahren wird, den sadistisch folklorebesessene Englischlehrer heute nicht mehr auswendig lernen lassen dürfen, ohne Elternabende heraufzubeschwören.
Die Zugabe „Meet On The Ledge“ zelebriert wie bei den meisten Auftritten der Band das Gemeinschaftsgefühl aller Fairporter, und der Lagerfeuerprototyp verfehlt gerade in der Union Chapel seine Wirkung nicht. Der stark sehbehinderte Edmund Whitcombe am Kornett gibt der Hymne ebenso seine intensive, einzigartige Note wie die Stimmen beider Sängerinnen des Abends, Barker und McShee. Traditionsbewusstsein hin, Nostalgie her – Fairport Convention 2017 sind eine lebendige, arbeitende Band.

Dieser Artikel findet sich exklusiv auf www.folker.de.

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