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ZaudersprücheAnnika von TrierHannah-Höch-Haus, Garten, Berlin, 3.7.2016
Text: Stephan Göritz
Ob die Sonne Chansons liebt? Bei schönem Wetter sollte das Konzert im Garten stattfinden, bei schlechtem in dem kleinen Atelierhaus, das der Maler Johannes Bauersachs im Sinne der dadaistischen Grafikerin und Gärtnerin Hannah Höch (1889-1978) bewohnt und weiterführt. Doch schon Tage vorher hatte man so viele Karten verkauft, dass drinnen gar nicht alle Platz gefunden hätten. Da blieb nur die Hoffnung, die Sonne möge die heraufziehenden schwarzen Wolken des Himmels verweisen, weil auch sie sich den Auftritt von Annika von Trier nicht entgehen lassen will.
Deren Lieder wirkten, als wären sie für diesen stimmungsvoll nach dadaistischen Prinzipien angelegten Garten geschrieben worden. In pointiert montierten Momentaufnahmen beschrieb von Trier die Gegenwart der digitalen Boheme und blickte lächelnd zurück auf eine Zeit, in der man noch miteinander sprach, ohne sich von ständigem Handyklingeln unterbrechen zu lassen. Als sie 1991 nach Berlin kam, wurde ihr erster Auftritt im Varieté Chamäleon auf einer Postkarte bestätigt, und ihre erste Tournee organisierte sie von einer Telefonzelle aus. „Palma Kunkel, die singende Tellermiene“ nannte sie sich damals nach einer Figur des Dichters Christian Morgenstern und bezog sich dabei nicht auf Explosionswaffen, sondern auf das in ihrem Gesicht explodierende Mienenspiel. Doch wie das alte Jahrtausend verschwand auch ihre Bühnenfigur mit der tellerähnlichen Frisur.
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