Albumtipp:
Diverse, Walzer – Schottisch – Poloness. Folkmusik aus alten Handschriften (Bluebird Café Berlin Records, 2014)
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Alte Quellen in Text, Bild und TonTraditionelle TanzmusikForschen, Musizieren, Aufführen
Es ist noch gar nicht lange her, da schliefen die Tanzmusikhandschriften der Volksmusikanten aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert einen tiefen, tiefen Schlaf in den Archiven und Museen unseres Landes. Nunmehr werden sie erweckt und erleben eine Auferstehung. Eine Initiative präsentiert historische Tanzmusikhandschriften im Internet.
Text: Ralf Gehler
Das Folkrevival in Ost und West der 1970er- und 1980er-Jahre setzte sich mit dem Lied und dessen Verwendbarkeit in der politischen Auseinandersetzung der Zeit auseinander. Das war wichtig und führte zur Erkenntnis, dass „Volksmusik“ anders daherkommen kann als als biederes Beiwerk der Idee einer heilen Welt aus Ostseewellen und hohen Bergen. Die Melodien, Rhythmen und Tänze der Vergangenheit, die in der Folkszene Verwendung fanden, beschränkten sich meist auf Musiken aus gedruckten Heften des zwanzigsten Jahrhunderts.
Der eigentliche große Quellenfundus der Musikhandschriften hingegen wurde kaum angerührt. Eine Ursache liegt wohl darin, dass die Folktanzszene der 1980er- und 1990er-Jahre die Auseinandersetzung mit den Musiken Frankreichs, Schwedens oder des Balkans anstrebte. Es entwickelte sich eine europäische Musizier- und Tanzgemeinschaft, die viel zur mentalen Verständigung und zum Informationsfluss beitrug.
Vom Archiv ins Repertoire
Es war also mehr als logisch, dass sich die geschulten Wissensaneigner in Sachen Tanz und Tanzmusik bald den bisher vernachlässigten deutschen Quellen zuwandten. Die Entdeckung und Verwendung historischer Tanzmusikhandschriften ist im Augenblick eines der zentralen Themen in der Szene Deutschlands. Heute ist diese neu entdeckte Musik vielerorts zu hören – beim Klangrauschtreffen im niedersächsischen Hösseringen, bei den Veranstaltungen des Zentrums für Traditionelle Musik in Schwerin und auf Festivals landauf, landab. Die heute wohl bekannteste Handschrift ist jene der Familie Dahlhoff aus Westfalen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Mit mehr als tausend Seiten stellt sie die bisher größte regionale Sammlung dar, zugänglich in der Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Mus.ms. 40182. Das Wichtigste: Es sind Melodien, die sich nicht verstecken müssen hinter dem großartigen Material, das schwedische Regionen, Irland oder Dänemark bieten. Von prachtvoll fließenden Walzern über erdige Schottische bis zu eingehenden engmelodischen Dudelsackmelodien ist in den Handschriften alles zu finden. Eine erste Auswahl mit Folkmusik aus alten Handschriften gab es 2014 auf dem Profolk-Sampler Walzer – Schottisch – Poloness.
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