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Fokus auf keltische WurzelnIm Ländle: Folkival
Die Kleinstadt Nürtingen hat sich auch für Besucher von außerhalb zu einem Folkmekka gemausert. Knapp zwanzig Kilometer südlich von Stuttgart findet seit elf Jahren ein musikalisch und auch kulinarisch gehaltvolles Treffen lokaler und internationaler Folkbarden statt, das sich seine intime Atmosphäre bewahrt hat.
Text: Imke Staats
In Nürtingen vereinen sich ganzheitliches politisches Denken und Kulturoffenheit, man kann dort Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialwissenschaften studieren. Im Zentrum dieser mittelalterlichen Fachwerkwelt liegt der Club Kuckucksei. Dieser kulturell-politische Ort mit Wurzeln in der Achtundsechziger-Bewegung ist auch gleichsam das Nest des Folkivals. Ausgebrütet hat das dreitägige Festival der Musiker und Sozialpädagoge Johannes Single, Vorstandsmitglied und seit 2018 Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Kuckucksei e. V. Schon mit zehn Jahren näherte er sich den Saiteninstrumenten an, von denen er heute Gitarre, Bass, Banjo und Mandoline beherrscht. Die Nähe zur angelsächsischen, besonders zur irischen Musik ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden, wie sein Nachname vermuten lassen könnte. Der Urschwabe hat diese Neigung vielmehr im Englischunterricht entwickelt. Im Zuge der Abhandlung des Nordirlandkonflikts ließ er sich vor allem von dem Phil-Coulter-Song „The Town I Loved So Well“ mitreißen. Fasziniert von anderen keltischen Altfolkies wie den Dubliners, Andy Irvine oder Paul Brady gründete er die beiden Folkbands The McMontos und The Hoodie Crows und machte als Solokünstler auf sich aufmerksam.
Folknest Kuckucksei
Das Kuckucksei ist Keimzelle und Veranstaltungsort des Folkivals. Den frappierend simplen Namen, bei dem man sich fragt, warum er nicht schon längst vergeben war, hat Single patentieren lassen. Bis zu fünfzig Kulturveranstaltungen finden jährlich im Club statt, einige aus dem Folkbereich, gemäß der Historie des Hauses, denn zu Anfangszeiten in den Siebzigern war Irish Folk sehr populär. Um aus den eher wenigen Gästen pro Gig mehr werden zu lassen, bündelte der Geschäftsführer die Folkkonzerte und verlegte sie auf ein Zeitfenster. Dazu traten seine eigene Band, The McMontos, und die lokalen Chrinaho auf – fertig war im Mai 2008 das erste Folkival mit sieben Auftritten. Single erreichte steigende Publikumszahlen und hatte mit dem Festival bald Format erreicht, mit dem er Fördergelder etwa aus dem Kulturfonds der Stadt und des Landes Baden-Württemberg beantragen konnte. Der Eintrittspreis von 35 Euro für drei Tage bei rund acht Bands und Rahmenprogramm ist dem örtlichen Preisniveau angepasst. Wäre es teurer, würden wohl manche Gäste wegbleiben. Weiter ausbauen möchte der Veranstalter das Festival jedoch nicht, sondern die persönliche Atmosphäre beibehalten. Ihm ist es – auch aus eigener Erfahrung als Musiker – wichtig, dass man einander kennt. Die Besucher aus der Gegend, aus Hessen, Bayern, Niedersachsen und dem angrenzenden Ausland schätzen das sehr – genau wie die Gastfreundschaft, die beim Folkival ebenso großgeschrieben wird wie der Wert einer offenen Gesellschaft.
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