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Im Herzen HamburgsDas Reeperbahn FestivalSprachrohr der Nachwuchskünstler
Das Hamburger Reeperbahn Festival geht vom 21. bis 24. September in die elfte Runde und verliert auch im Jahr nach der großen Jubiläumsausgabe nichts von seinem Innovationswillen, der die Veranstaltung von Anfang an prägte.
Text: Judith Wiemers
Seit seiner Gründung im Jahr 2006 hat sich das Clubfestival zum größten seiner Art gemausert, weicht aber trotz ständiger Expansion, zunehmender Besucherzahlen und gewichtiger finanzieller Partner nicht von seiner Philosophie ab. Für ein erweitertes Wochenende spielen internationale Newcomer verschiedenster musikalischer Genres in Kneipen, Clubs, Theatern, Kirchen und Museen rund um die Hamburger Vergnügungsmeile Reeperbahn. Mittlerweile wurde dem musikalischen Kern des Festivals ein umfangreiches kulturelles Angebot bestehend aus Filmvorführungen, Ausstellungen und Lesungen zur Seite gestellt. Darüber hinaus erfuhr das Programm eine Erweiterung um die sogenannte Konferenz und bietet Unternehmen und Vertretern der Musikbranche Vorträge, Workshops und Symposien zu aktuellen Themen der Musikwirtschaft.
Nach wie vor inszeniert sich das Festival, das seit seiner Gründung von selben Kernteam geleitet wird, als Plattform für junge, ambitionierte Musiker aus aller Welt, die oft noch am Anfang ihrer Karriere stehen. So gesellen sich immer wieder Bands und Solokünstler ohne Plattenverträge oder nennenswertes Presse-Echo zu den mittlerweile rund dreihundert Acts. Die Veranstalter setzen also weniger auf Reputation als auf das eigens in Augenschein genommene künstlerische Potenzial handverlesener Musiker. Die enge Kooperation mit nach ähnlichen Prinzipien gestalteten Musikfestivals wie dem SWSX in Austin, Texas, sowie mit gemeinnützigen internationalen Musikverbänden wie der Canadian Independent Music Association oder dem französischen Bureau Export ermöglicht den Erfahrungsaustausch unter Gleichgesinnten sowie den Zugang zu einem breit gefächerten Pool an talentierten Künstlern.
Zuhören als Maxime
So setzt das Festival beim Publikum auf offenes Interesse und vor allem auf offene Ohren gegenüber neuer Musik und unbekannten Gesichtern und vertritt mit beeindruckender Konsequenz eine Maxime des Zuhörens. Dieser Ansatz mag auch erklären, warum das Reeperbahn Festival kontinuierlich die Gräben zwischen den musikalischen Sparten und den willkürlich gesteckten Grenzen von sogenannter U- und E-Musik spielerisch zu überwinden versucht und einen interdisziplinären Dialog zwischen Musik, Kunst und Wirtschaft fördert. Im musikalischen Programm reichen sich französische Rapkünstler und britische Folksängerinnen das Mikrofon, und die Zuschauer wechseln zwischen den etwa dreißigminütigen Auftritten scheinbar mühelos. Abgefeuerte Rockraketen, deutsche Liedermacher oder elektronische Pop-Perlen stehen im allübergreifenden Zeichen der Musikliebhaberei nebeneinander, und in diesem Jahr wagt sich das Festival sogar an die Integration von Darbietungen klassischer Musik – etwa in einem Konzert des iranischen Cembalisten Mahan Esfahani, der erst kürzlich durch seinen besonnen Umgang mit rassistischen Anfeindungen während seines Auftritts in der Kölner Philharmonie beeindruckte.
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