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Wiebke und Rotraud Hoogklimmer

Heimspiel


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Hänschen klein erinnert

Volkslieder gegen Demenz

Erfahrungen der Sängerin Wiebke Hoogklimmer

Es gibt Melodien und Lieder, die man nie vergisst. Als die Berliner Altistin Wiebke Hoogklimmer im Jahr 2005 bemerkte, dass ihre an Demenz erkrankte Mutter Rotraud Wortfindungsprobleme bekam und ganz allmählich ihre Sprache verlor, begann sie, ihr deutsche Volkslieder vorzusingen. Vielleicht weckte sie damit Erinnerungen an alte Zeiten, als die Familie Hoogklimmer singend durch den Schwarzwald wanderte. Auf jeden Fall hilft das Singen seit neun Jahren, einen fühlbaren Kontakt zwischen Mutter und Tochter aufrechtzuerhalten.

Text: Kay Reinhardt

Wiebke Hoogklimmer sagt: "Es ist für den Angehörigen ausgesprochen ermüdend, langweilig und deprimierend, am Bett zu sitzen und Monologe zu halten. Beim gemeinsamen Singen aber hat er erst mal ein schönes Gefühl und kommt sich nicht so verloren bei dem stummen Ansprechpartner vor. Außerdem ist der demente Mensch beim Singen am besten über Körperkontakt zu erreichen, und wenn er dann emotional reagiert, sind es für beide wunderschöne intime Momente. Es geht also um nonverbale Kommunikation."

Singen statt sprechen

Rotraud Hoogklimmer konnte vor sieben Jahren nur noch stockend sprechen, aber überraschenderweise flüssig alle Lieder mitsingen. Später, als sie außer "ja" und "nein" kaum noch etwas sagte, sang die Kranke noch immer komplizierte Phrasen mit und kommentierte den Gesang ihrer Tochter mit "schön" oder anderen Vokabeln, die sie ansonsten nicht mehr verwendete. Seit fünf Jahren lebt die 85-Jährige* im Endstadium der Krankheit, was bedeutet, dass sie sich nicht mehr eigenständig bewegen und gar nicht mehr sprechen kann. Manchmal bringt sie Unverständliches hervor, möchte sich also mitteilen, vermag es aber nicht mehr.

Wenn Tochter Wiebke heute am Bett ihrer Mutter singt, wirkt diese manchmal zuerst vollkommen teilnahmslos. Dann, plötzlich bei irgendeinem Lied – einmal war es "Hänschen klein" – versucht sie, sich zu bewegen und verzieht ihr Gesicht. Auf welches Lied sie reagiert, ist immer wieder unterschiedlich. Ob sie weint oder lacht, kann Wiebke Hoogklimmer nicht beurteilen, aber einige Lieder scheinen sie an etwas tief Empfundenes zu erinnern. Der Tochter kommt es so vor, als rührten die allerersten Lieder, die die Mutter im Leben gelernt hat, ganz besonders ihr Herz an.


* Rotraud Hoogklimmer ist nach Fertigstellung des Artikels am 21. September 2014, einen Tag vor ihrem 86. Geburtstag friedlich eingeschlafen.

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