Aktuelles Alben:
I Dreamed An Island (Beating Drum, 2016)
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Piers FacciniSongwriting jenseits aller Grenzen
Er verbindet europäische Folk- und Rockmusik mit klassischer arabischer Liedkunst zu einem ganz eigenen Klang. Damit überschreitet der britische Songwriter Piers Faccini nicht nur Grenzen, er demonstriert vor allem die Kreativität der kulturellen Vielfalt.
Text: Erik Prochnow
Deutschen klingt der Ruf noch lebhaft in den Ohren, „Bring Down The Wall“. Doch im Fall des gleichnamigen Liedes von Piers Faccini geht es nicht nur um das Einreißen von Mauern oder Zäunen, wie sie an der EU-Außengrenze errichtet wurden. „Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr gedankliche Mauern zwischen den Menschen entstehen“, erläutert der britische Singer/Songwriter sein aktuelles musikalisches Projekt und fügt hinzu: „Nationalismus, Ausländerhass, Angst und Verteufelung anderer sind die neue politische und soziale Realität.“
Dreisprachig aufgewachsen, kennt der in Südfrankreich lebende Musiker und Sohn italienisch-britischer Eltern vor allem musikalisch keine Grenzen. Neben eigenen Projekten hat er erfolgreich mit renommierten Musikern wie dem klassischen Cellisten Vincent Ségal, der verstorbenen südafrikanischen Legende Busi Mhlongo oder dem US-Songwriter Ben Harper zusammengearbeitet. Auf seinem im Oktober 2016 erschienenen Album I Dreamed An Island geht der 46-Jährige noch einen Schritt weiter. Indem er zeitgenössische westliche Musik mit der arabischen Tradition verschmilzt, will Faccini aufklären, Hoffnung stiften und zeigen, dass kreative Musik immer erst aus der Mischung der Kulturen entsteht. „In Europa existiert viel Ignoranz in Bezug auf die arabische Welt“, sagt der Autodidakt. Dabei gelte das derzeit zerfallende Syrien als die Wiege der Zivilisation. Ohne die arabische Dichtung wäre die europäische Kunst nicht denkbar. Und viele Instrumente wie etwa die Gitarre stammen von arabischen Vorgängern wie der Ud ab.
Für sein aktuelles Werk ist Piers Faccini tief in die europäisch-arabische Geschichte des zwölften Jahrhunderts eingetaucht. Damals existierte auf Sizilien eine siebzig Jahre währende Epoche kultureller Toleranz. „Es war der erleuchtete Ort des frühen Mittelalters“, so der Musiker. Die großen Religionen des Christentums, Judentums und Islams lebten friedlich miteinander und befruchteten sich im täglichen Leben. „Die Menschen spielten vor allem gemeinsam Musik“, sagt Faccini. Diese kulturelle Vielfalt belebt der Gitarrist und Sänger auf I Dreamed An Island im einundzwangigsten Jahrhundert. Elektrische Gitarren verweben sich mit der barocken Viola d’amore zu arabischen Melodieläufen, die marokkanische Kastenhalslaute antwortet dem meditativen Puls des Schlagzeugs, oder Rockgesang wechselt mit arabischen Rezitationen und dem Dialekt Palermos.
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