Aktuelles Album:
Damar (World Village/PIAS/Rough Trade, 2017)
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Amira MedunjaninAm Puls von Sarajevo
Sie war die erste Sevdahsängerin, die nach dem Zerfall Jugoslawiens außerhalb ihrer Heimat populär wurde. Bis zu ihrem Debütalbum Rosa 2004 kannte kaum jemand jenseits von Bosnien-Herzegowina die junge Frau mit der eindringlichen Stimme, aber das sollte sich ändern. Amira Medunjanin gehörte zu den Ersten, die Sevdahmusik wiederentdeckten. Bei ihrem neuen Album Damar ist sie nun auch ihre eigene Produzentin.
Text: Grit Friedrich
Lange Zeit erklangen die traditionellen bosnischen Liebeslieder Sevdalinke in den Häusern wohlhabender muslimischer Familien. Stimme und Saz, mehr brauchte es nicht. Im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte sich die urbane Sevdahmusik dank Radio und Plattenaufnahmen zum Massenphänomen in Bosnien-Herzegowina, Jugoslawien und auch in der Diaspora. All das weiß Amira Medunjanin und hat endlich den Mut, neue Sevdahlieder zu singen. Der Sänger und Komponist Damir Imamović hat ihr mit „Pjevat Ćemo Šta Nam Srce Zna“ ein fast hymnisches Lied gewidmet, das nicht zufällig das aktuelle Album Medunjanins eröffnet. „Wir sind seit Langem Freunde und hatten nie die Gelegenheit zusammenzuarbeiten. Ich hatte schon länger vor, ein Album ausschließlich mit neuen Liedern aufzunehmen, und eines Tages kam er zu mir und sagte: ‚Meine Liebe, ich habe ein Lied für dich geschrieben.ʻ Bei mir machte es sofort Klick, denn es hat dieses Sevdahgefühl und doch auch etwas Heutiges. Es beschreibt die Schönheit des Gesangs und sagt: Sing jedes Lied, das dein Herz erreicht. Oder schreib es auf, das hat etwas Befreiendes. Und genau das ist auch das Leitmotiv von Damar, darauf sind Lieder, die mich bewegt haben, und sie vermitteln universell gültige Botschaften oder Geschichten.“
Man spürt, dass Amira Medunjanin lange nach den passenden Liedern suchte. Sie griff dabei auch auf einen bis heute wenig bekannten Klassiker der Stilrichtung zurück, auf den 1912 im zentralbosnischen Donji Vakuf geborenen und 1993 im amerikanischen Exil gestorbenen Sänger und Tamburizzaspieler Edo Ljubić. Er war ein begnadeter Arrangeur und spielte viele maßgebliche Schellackaufnahmen ein. Mit „Vjetar Ružu Poljuljkuje“ singt Medunjanin eine leicht veränderte Version eines Hits des Bosniers. „Es gab unglaublich viele Sevdahsänger vor uns, die dafür gesorgt haben, dass diese alten Lieder weiterleben. Ljubić war in Jugoslawien fast vergessen, dabei war er ein fantastischer Sänger. Ich finde die Geschichte, die dieses Lied erzählt, großartig, auch die Art, wie sie erzählt wird. Wie in einem Broadway-Theater spielt er mehrere Charaktere und kreiert starke Bilder in meinem Kopf. Perlen wie er müssen wieder bekannt werden.“ Wie Medunjanin heute flirteten Sevdahmusiker schon früher mit anderen Genres, Ljubić beispielsweise war als „King of Sevdah Swing“ bekannt.
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