Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2019   Internetartikel
Aernschd Born * Foto: Ingo Nordhofen

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit

Gastspiel





[Zurück zur Übersicht]



Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

Oder gleich zum (Schnupper-)Abo.








Autoreninfo:


Aernschd Born ist Songpoet und lebt in Basel.


Im Zug nach Zürich

Sing englisch, dann hast du Erfolg

„Warum singst du nicht englisch?“, fragt mich der Schüler nach dem Schulkonzert in Basel. Meine schweizerdeutschen Mundartsongs hätten im gefallen, aber eben: „Warum singst du nicht englisch?“        

Text: Aernschd Born

„Warum soll ich englisch singen?“, frage ich. Seine Antwort: „Nur fünf Millionen Menschen sprechen Schweizerdeutsch, aber fünfhundert Millionen Menschen sprechen englisch. Das sind hundertmal mehr.“ Ich hätte ein hundertmal größeres Publikum. Hundertmal mehr Erfolg mit meinen Songs. Der Junge trifft voll ins Schwarze. So funktioniert der freie Markt. So geht Kapitalismus. Marx kennt er nicht. Aber er hat ihn verstanden. „Wie viel verdienst du?“, will er wissen. „Es reicht zum Leben“, sage ich. Er checkt mich ab. „Hast du Tesla? Villa? Yacht?“ – „Nicht eigentlich“, gebe ich zu. Heute kam ich mit der Straßenbahn. Habe meinen Bose-Turm solo aufgestellt. Die Gitarre selbst gestimmt. Keine Roadies. Keine Groupies. Nix. „Sing englisch“, rät mir der Junge. „Dann geht es dir hundertmal besser.“ Roadies und Groupies inbegriffen. „Kannst du denn englisch?“, frage ich. „No“, antwortet der Junge. „Dann würdest du meine Englisch-Hits doch gar nicht verstehen“, sage ich. „Aber man kann dazu tanzen und chillen“, sagt er. Und ich als Musiker würde reich. Jay-Z ist Milliardär. Paul McCartney ist Milliardär. Einkommen fünfzig Millionen pro Jahr. Das sind eine Million pro Woche, Mann. Singen die beiden Schweizerdeutsch? Eben!
Trotzdem. Zehn Jahre konnte ich leben von meinen politischen, schweizerdeutschen Chansons. Sie fanden vor Zeiten offene Ohren in der linken und alternativen Szene der deutschsprachigen Schweiz. Klein war die Szene. Entsprechend war die Nachfrage. Aber es passte zu meinem Angebot. Ich sang für kleine Gagen in vollen Hinterzimmern darüber, dass wir unsere Arbeitskraft verkaufen müssen, um existieren zu können.
Dann kam der freie Markt auf mich zu. Verlage wollten mich verlegen. Konsequent lehnte ich ab. „Meine Songs gehören auf die Straße, nicht ins Büchergestell“, so mein einstiges Credo. Damals sang ich linke Lieder für linke Menschen. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Doch irgendwann widmete sich mein linkes Publikum seiner Karriere und ich blieb links liegen. Ohne Nachfrage keine Gigs. Ohne Kohle kein Leben.

... mehr im Heft.

Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.