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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2018   Internetartikel
 

Folker-Halbmast



Achim Bergmann * Foto: Sebastian Weidenbach

ACHIM BERGMANN


16.5.1943, Menden,
bis 1.3.2018, München


Trikont – Unsere Stimme ist das älteste unabhängige Plattenlabel der Bundesrepublik. Herz und Seele des Betriebs war Achim Bergmann, der das kleine Unternehmen mit seiner Frau Eva Mair-Holmes leitete. Bergmann war ein Mann mit eigenem Kopf, der das Label zu einer Marke mit ganz eigenständigem Programm machte, das quer zu Moden und Kommerz steht. Hans Söllner, Ringsgwandl, Attwenger, Rocko Schamoni, Labrassbanda und Kofelgschroa sind nur ein paar der Namen, die Trikont großmachte. Ursprünglich war Trikont aus den Umbrüchen der Achtundsechziger-Zeit hervorgegangen. 1971 veröffentlichte der Buchverlag die erste Schallplatte unter dem Titel Wir befreien uns selbst. Weitere Einspielungen folgten, etwa aus dem Widerstand gegen das Atomkraftwerk Wyhl oder mit Musik indianischer Ureinwohner. Mehr und mehr entdeckte Bergmann widerspenstige Musik auch im eigenen Umfeld. Im alternativen Untergrund von Bayern stieß er auf den singenden Oberarzt Georg Ringsgwandl, die zarten Klänge der Fraunhofer Saitenmusik und den brachialen Protestsänger Hans Söllner. Die Edition Stimmen Bayerns war eine andere herausgeberische Großtat. Bergmann veröffentlichte Cajunmusik aus Louisiana, griechische Rembetikoklänge und jüdische Klezmeraufnahmen. Er war kein Musikologe, sondern ein echter Fan und leidenschaftlicher Enthusiast, der Musik über alles liebte, vielleicht noch mehr als Filme, Politik und amerikanische Kriminalromane. Mit offenen Ohren, wachem Verstand und einer guten Spürnase gelang es Bergmann und seinem Team immer wieder, neue musikalische Milieus aufzustöbern, die abseits der Hitparaden blühten. 2003 erhielt Trikont den Ruth-Weltmusikpreis. Letzten Herbst feierte das Label fünfzigjähriges Jubiläum. Am 1. März 2018 ist Achim Bergmann überraschend im Alter von 74 Jahren gestorben.

Christoph Wagner



STEPHAN GÖRITZ


16.09.1960, Berlin,
bis 04.03.2018, Berlin


Wir trauern um Stephan Göritz, Kenner und Kommentator der Kleinkunstszene, Autor und Archivar seit mehr als dreißig Jahren und Rezensent im Folker seit Bestehen dieser Zeitschrift. Er prägte im Deutschlandfunk das Profil der Sendung Querköpfe. Seine Buchempfehlungen zur Brettlkunst in Liiies doch mal was! waren feinfühlig, sehr informativ und humorvoll. Im Liederladen oder in seinen Veröffentlichungen im Folker bekam so mancher Newcomer die erste Wertschätzung durch ihn. Seine Rezensionen zeugten von scharfer Beobachtung und ehrlicher Beurteilung. Seine Arbeiten waren geprägt von profundem Wissen. Bereits in sehr jungen Jahren schrieb er Rundfunkhörspiele. In jüngster Zeit fanden seine historischen Features Krieg ist nicht gut für den Frieden – Kabarettisten und der Erste Weltkrieg (Preis der deutschen Schallplattenkritik) und Ohne Humor wären wir nicht durchgekommen – Kabarettisten und das Dritte Reich (Platz 2 der HR2-Hörbuch-Bestenliste des HR) größte Anerkennung. Stephans Sendungen und Artikel regten an, machten neugierig und oft auch betroffen. Mehr als drei Jahrzehnte lang beschäftigte er sich wissenschaftlich mit der Kleinkunst und erstellte in dieser Zeit ein einmaliges Archiv mit Tonträgern und Büchern. Vor allem aber war er ein wunderbarer Mensch, der in seiner feinen, bescheidenen, klugen Art die einzigartige Größe besaß, jedem Künstler gegenüber ohne Vorurteil aufgeschlossen zu sein. Nun ist Stephan Göritz mit 57 Jahren unerwartet verstorben. Wir haben einen Pionier auf der Kleinkunsterde verloren. Am 13.5.2018 um 13.05 Uhr wird in der Berliner Bar jeder Vernunft die Gedenkveranstaltung stattfinden.

Jeannette Urzendowsky, Chanson-Nette


Helfen Sie, Stephan Göritzʼ einmaliges Archiv zu erhalten – jede Spende hilft!
Konto Deutsche Bank: Jeannette Urzendowsky
IBAN: DE07 1007 0848 0071 2406 60
Stichwort: Archiv Stephan Göritz





Liam O'Flynn

LIAM OʼFLYNN


15.4.1945, Kill, Co. Kildare, Irland,
bis 14.3.2018, Dublin, Irland  


Liam O’Flynn, der nach langer Krankheit seinem Krebsleiden erlag, stammte aus einer musikalischen Familie im County Kildare. Die Mutter spielte Klavier, der Vater Geige, doch der kleine Liam zeigte schon früh Interesse an den Uilleann Pipes und ging in die Lehre bei so berühmten Meistern wie Leo Rowsome und Seamus Ennis. Sozusagen über Nacht berühmt wurde er 1972, als er mit Andy Irvine, Donal Lunny und Christy Moore die legendäre Band Planxty gründete. In den ersten Jahren benutzte er gern die irische Version seines Namens, Liam Óg Ó Floinn. Als Planxty sich erstmals 1975 und dann wieder 1983 trennten, ging er – nun als Liam O’Flynn – ganz eigene Wege. Er folgte seinem alten Hang zur klassischen Musik, als er mit Shaun Davy die Musik zur Dokumentation The Brendan Voyage komponierte. Er schrieb Filmmusik, arbeitete mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammen wie Mark Knopfler, John Cage und dem irischen Literaturnobelpreisträger Seamus Heaney sowie natürlich mit irischen Kolleginnen und Kollegen oder bei allen Planxty-Wiedervereinigungen – endlos ist die Liste. Nicht vergessen werden dürfen die Bereitschaft, mit der er jederzeit jungen Talenten behilflich war, und die Engelsgeduld, mit der er nach Auftritten noch dem unbegabtesten Möchtegernpiper aus dem Publikum wenigstens einen Trick beibrachte. Die Harfenistin Máire Ní Chathasaigh, die oft und gern mit O’Flynn zusammenspielte, nannte ihn am Tag seiner Beerdigung „ein Genie, das nie im Leben einen falschen Ton gespielt hat“, und das meinte sie durchaus und zu Recht auch im übertragenen Sinn. Bei der Trauerfeier sprach der irische Präsident, Michael D. Higgins, nachdem er das Werk des Verstorbenen gewürdigt hatte, dessen „Familie, Freunden, Kollegen und allen, die irische Musik lieben“, seine tiefe Teilnahme aus.

Gabriele Haefs



Bernard Loffet * Foto: Catherine Raveneau

BERNARD LOFFET


ca. 1966
bis 30.03.2018, Caudan, Bretagne, Frankreich


Sein Markenzeichen waren seine nackten Füße, auf denen er sich, sein Akkordeon vor die Brust geschnallt, zumeist tänzelnd bewegte. Auf unzähligen Festoù-Noz, den traditionellen Tanzfesten der Bretagne, oder auf Festivals führte er mitten im Pulk der Menschen die große Tanzgemeinde bei den traditionellen bretonischen Tänzen an, die er erklärte oder begleitete. Sein Akkordeonspiel war lebendig, innovativ und mitreißend. Oft begeisterte er mit einer neuen Melodie oder einer neuen Tanzsuite, die die umfangreiche Tanzgemeinde immer wieder anspornte und begeisterte. Seine andere Profession war die eines versierten Tontechnikers. Über viele Jahre sah man ihn immer wieder an seinem großen Mischpult stehen. Mit Übersicht und Fingerspitzengefühl sorgte er bei zahllosen Festivals, Tourneen bretonischer Bands innerhalb und außerhalb der Bretagne, insbesondere aber den jährlichen Silvestertanznächten in seinem Wohnort Caudan bei Lorient im bretonischen Departement Morbihan im wahrsten Sinne des Wortes für den guten Ton. Auch hier in Deutschland konnte man ihn in den vergangenen Jahren bei mehreren Gelegenheiten erleben. Am Karfreitag 2018 starb er an den Folgen eines Hirnschlags im Alter von gerade 52 Jahren. Die bretonischen Musiker verlieren einen hilfsbereiten, erfahrenen und virtuosen Kollegen, und die Musikszene trauert um einen ihrer bekannten und anerkannten Charakterköpfe.

Hans Martin Derow