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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2018   Internetartikel
»Alle in Kolumbien orientierten sich an Musik von jenseits des Atlantiks.«
Meridian Brothers, links Eblis Álvarez * Foto: Juan Camilo Montañez

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

¿Dónde Estás María?
(Soundway Records, 2017)

Salvadora Robot
(Soundway Records, 2014)

Desesperanza
(Soundway Records/La Distritofónica, 2012)

Meridian Brothers VII
(La Distritofónica, 2011)

Sonora3/Meridian Brothers
(Eigenverlag, 2008)


Cover Dónde estás María


Meridian Brothers

Psychedelisch und polifon

Die Meridian Brothers sind nicht wirklich eine Band, die aus Brüdern besteht. Es gibt sie nicht einmal, die Brüder Meridian, sondern hinter dem Namen verbirgt sich der kolumbianische Multiinstrumentalist und Komponist Eblis Álvarez. Dieser studierte Mitte der Neunziger in Bogotá klassische Gitarre, als er im Alleingang eigene Stücke aufzunehmen begann. Inspiriert von kolumbianischer Volksmusik vermischte er diese mit fremden Stilen und erschuf ein vollkommen eigensinniges, traumhaft wirkendes musikalisches Universum, in dem Polyrhythmen auf Streichersätze treffen, über denen ein absurd-hintersinniger Textgesang schwebt. Angetrieben wird diese Fusion jedoch vom hohen künstlerischen Wert des eigenen kolumbianischen Volksmusikerbes. So jedenfalls empfindet es Álvarez, und damit beginnt die Geschichte der Meridian Brothers.

Text: Michael Freerix

Nicht immer ist der überaus eigensinnige musikalische Weg des Eblis Álvarez für ihn einfach und klar gewesen. Als er mit Anfang zwanzig klassische Gitarre an der Javeriana-Universität in seiner Heimatstadt Bogotá studiert, hört er vor allem progressiven Rock und Punk. An der Hochschule hingegen stehen Jazz und Klassik hoch im Kurs. „Niemand achtete darauf, was in Medellín, Bogotá oder Barranquilla musikalisch gerade los war.“ Auch seine Studienkollegen hören vor allem britischen Rock. „Alle orientierten sich an Musik von jenseits des Atlantiks“, erinnert sich Álvarez heute. Selbst er dachte nicht anders und gesteht: „Ich schämte mich wirklich für meinen Vater, der von der Küste stammte, und Vallenato hörte.“ Vallenato ist eine Form der kolumbianischen Volksmusik, bei der ein Sänger von einem Akkordeon, einer doppelköpfigen Trommel namens Caja und dem Schrapinstrument Güira begleitet wird.
Doch wandelt sich Álvarezʼ Scham bald in Neugier. „Um zur Uni zu kommen, fuhr ich damals jeden Tag mehr als eine Stunde Bus, in dem die ganze Zeit Vallenato lief. Bald schon gefiel mir der Humor in dieser Musik, und ich machte mich daran, meinen eigenen, atonalen Vallenato zu komponieren“, erzählt er. Er stellt eine kleine Band, das Ensamble Polifónico de Vallenato zusammen und tritt live an der Universität auf. Zwar wird er dort mehr oder weniger komplett ignoriert, doch wird ihm durch diese Auftritte bewusst, „dass ich es dabei mit etwas Ursprünglichem zu tun hatte, das mir eine Identität geben konnte“.
Zur Jahrtausendwende zieht es ihn auf die andere Seite des Atlantiks, nach Kopenhagen, wo er ein Stipendium erhält, um elektronische Musik zu studieren. Mit einem Vier-Spur-Kassettenrekorder nimmt er in der wenigen Zeit, die nebenher bleibt, eigene Songs auf. „Ich dachte nicht, dass mehr daraus wird als ein paar Kassetten, die ich an Freunde verschenke.“ Aus einer Laune heraus schreibt er Meridian Brothers auf die fertig produzierten Bänder, wohl weil er zu der Zeit gerade als Musiker im damaligen Kopenhagener Le Méridien Palace Hotel arbeitet. In dieser Phase experimentiert Álvarez viel mit Instrumenten wie Cello oder Klarinette. Die Gitarre, sein eigentliches Hauptinstrument, gerät für einige Zeit ins Hintertreffen. „Mir fehlte es einfach an Inspiration und an Vorbildern“, räumt er ein.

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