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Backkatalog   Ausgabe Nr. 4/2017   Internetartikel
»Hier im Wallis sind die Leute kaum an Songs gewöhnt, wie ich sie mache.«
YellowTeeth (3. v. r. Tiziano Zandonella) * Foto: Piotr Azia

5 Minuten mit ...


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Aktuelles Alben:

Rags And Pearls
(Vitesse Records, 2016; Greywood Records, 2017)


Cover Rags And Pearls


Yellow Teeth

Americana aus dem Wilden Westen der Schweiz

Das Wallis, ein Tal, tief eingeschnitten, drumherum die höchsten Berge der Schweiz, auf Tourismus getrimmte Straßendörfer, Weinberge, ringende Kühe. Walliser sind keine Leisetreter. Einer macht im Gefängnis einen Hungerstreik, nachdem man ihm fünfzig Tonnen Hanf weggenommen hat. Ein anderer, Walliser Staatsrat, breitet europaweit vor rechtsradikalen Kreisen sein Weltbild aus. Der Kanton liefert Stoff genug für einen singenden Geschichtenerzähler auf den Spuren amerikanischer Vorbilder. Doch weit gefehlt.

Text: Martin Steiner

In einer Welt, in der Rechtspopulismus und krude Ideologien zur Regel werden, schlägt Tiziano Zandonella, Kopf und Songschreiber von Yellow Teeth, einen völlig anderen Weg ein. „Hier im französischen Teil des Wallis sind die Leute kaum an Songs gewöhnt, wie ich sie mache“, sagt er. Auf seine Lieblingsmusiker angesprochen, kommt dem Sänger zuerst Bert Jansch in den Sinn, etwas ungewöhnlich für einen 29-Jährigen. „Wenn meine Eltern mit mir in die Ferien fuhren, hörten sie die Musik von David Bowie, Rod Stewart oder Neil Young“, erzählt er. „Das hat mich geprägt. Ich wollte Englisch lernen, um die Texte zu verstehen. Das war wohl auch der Grund dafür, dass ich später englische Literatur studiert habe.“ Apropos Neil Young: Beim Montreux Jazz Festival 2015 wären Yellow Teeth beinahe als dessen Vorgruppe aufgetreten. „Die Programmverantwortlichen hatten mich gefragt, ob wir Interesse hätten. Daraufhin hörten wir zwei Wochen lang nichts mehr. Am Ende wurde uns mitgeteilt, dass das Konzert Youngs ganze drei Stunden dauere, da gäbe es keinen Platz mehr für einen Support“, gab Zandonella der Zeitung La Gruyère zu Protokoll.
Ungeachtet dessen gehört Neil Young zusammen mit Leonard Cohen, Bob Dylan, Joni Mitchell oder Townes Van Zandt bis heute zu Zandonellas großen Vorbildern. Rags And Pearls, das aktuelle Album, tönt jedoch ziemlich anders. Der Walliser zögert, wenn er seinen Songs ein Etikett verleihen soll. „Folk Music“, gibt er zu Protokoll. „Americana“ möchte man nachschieben. Mit dem Unterschied, dass Tiziano Zandonella nicht über heruntergekommene Typen, die Tankstellen ausrauben, Weihnachten im Trailer Park oder die Frau singt, die sich aus purer Not prostituieren muss. Bei ihm sind Gefühlswelten zentral: die erträumte, ersehnte und verlorene Liebe. „Meine Lieder handeln nicht spezifisch von meinen eigenen Gefühlen“, sagt er. Sie sind eher ein Kunstprodukt. Ähnlich verhält es sich mit Zandonellas Gesang. Er habe für sich eine Technik entwickelt, die zu seinen Liedern passe. Lauscht man ihm, würde man eher an einen Mittfünfziger als einen jungen Mann denken.

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