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»Wir sind Nichtwissende und bewegen uns in einem Mysterium.«
Martyn Joseph

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Sanctuary
(Pipe Records, 2015; Beste Unterhaltung, 2016)

Kiss The World Beautiful – Songs For The Let Yourself Trust
(Pipe Records, 2014)

Tires Rushing By In The Rain – An Album Of Songs By Bruce Springsteen
(Pipe Records, 2013)


Cover Sanctuary


Die ewige Suche nach dem besseren Song

Martyn Joseph und die Kunst des Geschichten­erzählens

In Nordamerika wird er gerne der walisische Springsteen genannt. Doch der damit gezollte große Respekt für seine Musik wird Martyn Joseph nicht wirklich gerecht. In den bereits über dreißig Jahren seines Schaffens hat der hierzulande weithin unbekannte Liedermacher seine ganz eigene Kunst des Geschichtenerzählens entwickelt. Der Folker traf den talentierten Musiker und engagierten Aktivisten im englischen Windsor.

Text: Erik Prochnow

„I am on my way, I am running, loving, stumbling on my way.“ Inbrünstig setzt das Publikum mit ein, als Martyn Joseph in der kleinen Baptistenkirche in Windsor seinen Refrain anstimmt – nur einen Steinwurf entfernt vom Schloss der britischen Königin. Über dreißig Jahre ist der walisische Singer/Songwriter bereits weltweit auf Tour, und nichts beschreibt seinen musikalischen Werdegang treffender als dieser Moment. Wer den 56-Jährigen allein mit seiner Lowden-Gitarre auf der Bühne erlebt, kann sich der großen Leidenschaft des Sängers, seinen tief gehenden Songs und der intensiven Nähe zu seinen Fans nur schwer entziehen. Trotz exzellenter Kritiken und Auszeichnungen blieb ihm der ganz große Erfolg bislang jedoch verwehrt. Dennoch setzt Joseph seinen Weg unbeirrt fort, immer auf der Suche nach dem besseren Song. „Ich möchte Lieder schreiben, die den Menschen das Gefühl geben, dass sie nicht allein auf der Welt sind“, so seine Devise.
Das Ergebnis lässt sich aktuell auf seinem einundzwanzigsten Studioalbum Sanctuary hören, das der in Cardiff lebende Sänger nach siebzehn Jahren Abstinenz ab Februar auch live in Deutschland präsentieren wird. Martyn Joseph gehört zu einem Schlag von Musikern, der heute selten geworden ist. Er scheut sich nicht, Themen beim Namen zu nennen, Position zu beziehen. Und er stemmt sich gegen soziale Ungerechtigkeit. „Musik bedeutet für mich, Geschichten zu erzählen“, sagt er. Immer wieder handeln seine Songs von gefallenen oder vergessenen Menschen, dem Aufstehen und der Hoffnung auf eine heilere Welt. „Mein Anspruch an das Songwriting ist es, Fragen zu stellen, damit der Zuhörer seine eigenen Erkenntnisse gewinnt“, erläutert Joseph engagiert. „Zu glauben, man hätte Antworten auf das Leben, ist lächerlich. Wir sind Nichtwissende und bewegen uns in einem Mysterium.“
Weise, ehrliche Worte, die man dem im Gespräch eher schüchtern auftretenden Musiker abnimmt. Wenn er etwa auf seinem neuen Album fragt „Wann finden wir Frieden, Liebe und Gerechtigkeit, die uns entgleiten?“ oder in dem Lied über Bobby Kennedy feststellt „Ich träume Dinge, die nicht sind, und sage, warum nicht“, hat der Zuhörer das Gefühl, Joseph ringt selbst am meisten mit einer Antwort. Genauso sucht er nach einem Ausweg, wenn er in früheren Songs über Kinderarbeit, Prostitution und den Jugoslawienkrieg erzählt. Aber manchmal fällt die Konfrontation mit dem Leid auch ihm schwer. Sein berührendes Lied „Five Sisters“ aus dem Jahre 2009 über den Tod fünf palästinensischer Schwestern, die durch eine israelische Rakete ums Leben kamen, kann er nur selten live präsentieren. „Das Lied geht mir emotional sehr nah“, sagt Joseph.

... mehr im Heft.