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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2016   Internetartikel
»Beethovens ‚Mondscheinsonate‘ war das erste Stück Musik, das mich wirklich berührte.«
Pierre Bensusan

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Encore
(3 CDs; Dadgad Music, 2013)

Complete Works 1975-2010
(11-CD-Box; Dadgad Music, 2010)

Près De Paris
(Cézame, 1975; CD: Dadgad Music)


Cover Encore


Ein Gitarrist von Welt

Pierre Bensusan

Heiter-melancholische Musikpoesie

DADGAD – so nennt man jene magische und meist leicht keltisch klingende offene Gitarrenstimmung, deren Erfindung dem englischen Fingerstylegitarristen Davey Graham zugeschrieben wird. Der versucht in den Sechzigerjahren auf einer Reise nach Marokko Spielweise und Klang der Ud auf seine Gitarre zu übertragen und experimentiert mit alternativen Saitenstimmungen. Die modale Stimmung, die er dabei entwickelt, gilt heute unter Gitarristen weltweit als eine der beliebtesten neben der klassischen Standardstimmung. Der junge Musiker Pierre Bensusan entdeckt sie im Jahr 1978 bei einem Aufenthalt in der Bretagne. Heute ist sein Name mehr als der jedes anderen Gitarristen mit dieser Stimmung verbunden. Wer DADGAD sagt, nennt Bensusan meist im gleichen Atemzug. Die Los Angeles Times nennt den im algerischen Oran geborenen Franzosen „einen der weltweit einzigartigen und brillanten Veteranen in der Szene der Akustikgitarristen“. 2008 küren ihn die Leser des US-amerikanischen Magazins Guitar Player zum besten Weltmusikgitarristen.

Text: Ulrich Joosten

In der Schreibweise „Bensoussan“ ist der Nachname des Musikers in den jüdischen Gemeinden Marokkos und Algeriens weitverbreitet. Laut Familiengeschichte der Bensusans irrte sich einst ein Standesbeamter in der Rechtschreibung, und ihr Name ist seither aufgrund des orthografischen Fehlers leichter auszusprechen. Seine Musik, schreibt Bensusan im Booklet seines Jubiläums-Dreifachalbums Encore, werde als nostalgisch empfunden, weil sie Bilder und Reisen heraufbeschwöre. „Sie schöpft aus diesen Jahren der Bewegung, der Entwurzelung, der Rekonstruktion und der Anpassung und entwickelte sich so weiter.“ Eine frühe musikalische Erinnerung des Musikers ist ein auf Töpfe und Deckel gehämmerter Rhythmus, der von Tausenden von Balkonen in Oran erklang. Hier erblickt er am 30. Oktober 1957 als Marcel Pierre Bensusan das Licht der Welt. Obwohl er mit vier Jahren Algerien verlässt, erinnert er sich heute noch an den Strand, die Sonne – und an den Krieg. „Ich wurde mitten im Unabhängigkeitskrieg geboren, und ich erinnere mich an Dinge, die Kinderaugen nicht wirklich verstehen – Explosionen, Terror und die Ängstlichkeit meiner Eltern. An Autos, die nachts brannten, Schüsse ... Unser Appartement wurde zerbombt, während wir zu Hause waren. Es gab eine riesige Explosion und die Decke fiel direkt vor mir herunter. Ich war ein Kleinkind, aber ich erinnere mich daran, weil es so eindrucksvoll war. Meine Familie floh nach Paris. Wir kehrten nie zurück.“
In Frankreich lernt der kleine Marcel Pierre vier Jahre lang klassisches Piano. Als die Lehrerin in eine andere Stadt zieht, verkaufen Bensusans Eltern das Klavier. Sein Vater ist ein Bewunderer des französischen Manouchemusikers Django Reinhardt und schenkt seinem Sohn eine Gitarre.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren, schreibt Bensusan im Booklet zu Encore, „hörten wir zu Hause Jazz, englischen Rock, R&B, Swing, Chansons, Flamenco, arabisch-andalusische Musik, Klassik, Opern, Gypsy, Musette oder Tango“. Die Familie wohnt in Suresnes, einer Kleinstadt nahe Paris, sozusagen Près De Paris, wie später der Titel seiner Debütlangspielplatte lauten wird. Es ist das erste von bis heute zwölf Alben, die Bensusans Weg an die Weltspitze der Fingerstylegitarristen dokumentieren.

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