Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Backkatalog   Ausgabe Nr. 5/2016   Internetartikel

Zeitsprung

Mit dieser Serie möchte der Folker den Blick auf die musikalischen Wurzeln von Folk, Lied und Weltmusik lenken. In loser Folge berichtet Ralf Gehler über Musikantengruppen und historische Persönlichkeiten, die das musikalische Leben in früheren Zeiten prägten.

In dieser Ausgabe schreibt er über

Apollo und Marsyas, Museum Louvre-Lens * Foto: Jean-Pierre Dalbéra, Wikipedia

[Zurück zur Übersicht]



Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

Oder gleich zum (Schnupper-)Abo.





Apoll und Marsyas

Oder: Welchen Wert hat traditionelle Musik?

Es gab einmal eine Zeit, in der sich Tausende Deutsche aufmachten, ihrem Land den Rücken zu kehren und in der Fremde ein neues Leben zu beginnen. Amerika hieß das Land ihrer Sehnsüchte. Nicht nur die Armen und Ausgebeuteten zogen in die Neue Welt, häufig waren es die Jungen, Lebenshungrigen, Gebildeten und Ideenreichen, die ein Leben außerhalb erstarrter Bürokratie und Zunftgesetze suchten.

Text: Ralf Gehler

„Wir gründen einen Planeten der Toleranz und als Erstes bringen wir die Folkies um!“ Diese – scherzhafte – Äußerung eines befreundeten Schweriner Rockmusikers löste – auch unter den anwesenden „Folkies“ – allgemeines Gelächter aus. Der Satz zeigt aber auch die Wahrnehmung von Folkmusik als andersartiges Genre. Sie wird etwas belächelt, diese Musik, die mit wenigen Akkorden, übersichtlichen Melodien und merkwürdigen Instrumenten nur wenig im Strom der populären Musik verankert zu sein scheint.

Die Geschichte der Abwertung traditioneller Musik ist lang und geht zurück bis in die europäische Antike. Eindrucksvoll erscheint der Sieg legitimer Musizierpraktiken über die Volksmusik (und somit der Kultur über die Natur) in der Darstellung des triumphierenden Apoll über den Satyr Marsyas (zum Teil bereits in der Antike mit dem Gott Pan gleichgesetzt) – der somit zum ersten Volksmusikanten der Geschichte wird. Die Verse des römischen Dichters Ovid (43 v. Chr. bis ca. 17 n. Chr) beschreiben den musikalischen Wettstreit, den der Gott mit dem bocksfüßigen Hirten bestreitet:

„Als sein Spiel auf der Flöte dort Pan anmutigen Nymphen
Rühmte und leichtes Getön vortrug auf verbundenen Rohren,
Wagt’ er Apollons Spiel im Vergleich mit sich zu verachten,
Und er erschien … zum verwegenen Wettstreit.
[…] Pan bläst zum Beginn auf den ländlichen Halmen,
Und mit Ergötzen vernimmt der grad anwesende Midas
Sein barbarisches Spiel.“

Nun tritt der Konkurrent auf:

„Seine [Apolls] mit indischem Zahn und Gestein reich prangende Leier
Ist von der Linken gefasst; in der andern hält er den Schlägel.
Künstlergemäß auch stellt er sich auf. Nun rührt er die Saiten
Mit kunstfertigem Daumen …“

Natürlich wird die Musik des Gottes höher bewertet als die des Flötenspielers. Neben der Erniedrigung des volksmusikalischen Spiels unter die Kunstmusik ist es vor allem das Schicksal des Musikkritikers Midas, das die Menschen des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit beschäftigt. Der anwesende König stimmt nämlich für die Panflöte. Apoll verleiht ihm Eselsohren und er wird zum Symbol eines „schlechten“ Musikgeschmacks.

... mehr im Heft.