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Backkatalog   Ausgabe Nr. 4/2015   Internetartikel
»Ich habe Eklektizismus noch nie als Schimpfwort empfunden.«
Bube Dame König

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Diskografie:

Wagenbreth/Uhlmann, Einsam heut Nacht
(Skycap Records, 2015)

Bube Dame König, Traumländlein
(CPL Music, 2015)


Cover Einsam heut Nacht

Cover Traumländlein


Lieblingslieder nach dem Lustprinzip und romantische Volkslieder aus dem Traumländlein

Wagenbreth/ Uhlmann und Bube Dame König

Seit vielen Jahren sind die oft als „Uhlmann-Kids“ oder „Uhlmann Brothers“ bezeichneten Brüder Johannes (diatonisches Knopfakkordeon, Bratsche) und Andreas Uhlmann (Posaune, Whistles) nicht nur auf deutschen Bühnen als virtuose und innovative Weltmusiker unterwegs. 1994 gewinnen sie den Deutschen Folkförderpreis in Rudolstadt, kurz darauf, 1996, erscheint ihr erstes Album Acoustic Power mit ihrer Familienband Ulman, in der auch ihr Cousin, der Drehleierspieler und Geiger Till Uhlmann mitwirkt, der schon mit ihnen in der Tanzband Tyskarna musiziert hat. Es folgen Auftritte bei Festivals in England, Frankreich, Schweden, Finnland und Portugal. 2006 erscheint das zweite Ulman-Werk Vibes, 2009 das dritte, Electrokustica. Nun hat sich Ulman eine kreative Pause genehmigt – und den Mitgliedern die Zeit, anderen Musikprojekten nachzugehen. Und das äußerst erfolgreich, wie sich zeigt. Erneuerung durch Zellteilung, sozusagen.

Text: Ulrich Joosten

Einfach mit Klampfe und Quetsche auf die Bühne und lauter Lieder singen, die man schon immer mal (wieder) singen wollte – als ob das so einfach wäre. Zwei Musiker aus Leipzig machen genau das mit Erfolg. Beide sind in der deutschen Folkszene keine unbeschriebenen Notenblätter. Der eine ist für seine Reibeisenstimme und herzerweichende Interpretationen zur Gitarre bekannt, der andere als Instrumentalvirtuose am diatonischen Knopfakkordeon. Sie kennen sich ewig, wobei der eine seit frühester Jugend mit der Musik des anderen aufwuchs.

Johannes Uhlmann wird in das Folkrevial der Siebzigerjahre hineingeboren. Sein Vater Peter ist zeitweise Mitglied der Folkländer, kennt daher Wagenbreth und nicht nur die östliche Folkwelt. Johannes und sein Bruder Andreas (Posaune) spielen zunächst in der 1985 gegründeten Familienband Haus- und Hofkapelle. Als Duo gewinnen sie 1994 den Folkförderpreis in Rudolstadt. Sie gründen die Bands Tyskarna und Ulman. Mit dieser Weltmusikformation, in der auch ihr Cousin Till Uhlmann (Drehleier, Geige) mitspielt, erringen sie den renommierten deutschen Weltmusikpreis Creole. Im Laufe der Jahre mischt Johannes Uhlmann, „entschlossen, von der Musik zu leben“, in vielen Bands mit: Leipziger Folk Session Band, Red 5, European Youth Folk Orchestra, Die Sieben Leben, Deitsch, Tempi Passati, Blue Glass Band …

Manfred Wagenbreths Entwicklung beginnt bereits Mitte der Sechzigerjahre als Rock’n’Roller und mit „Folkrock in der Oberschulband in Roßleben/Unstrut“. Er wird frühes Mitglied der legendären DDR-Band Renft und ist Mitglied bei Ostkreuz, ehe er zum Folk konvertiert. Er spielt Gitarre und singt in der ersten Garnitur der Folkbands Jack & Genossen, Windbeutel, Folkländer, Folkländers Bierfiedler, Drumalane Waltz, Bierfiedler, Die Sieben Leben und Blue Glass Band. „Dann Rentner“, meint er lakonisch, „… und nun das!“ Ein Projekt, das in finanziell schwierigen Zeiten pekuniär gebeutelten Veranstaltern eher zu verkaufen ist als eine große Besetzung. Uhlmanns Band pausiert derzeit, und so fällt seine Idee, ein Duo zu gründen, bei Wagenbreth auf fruchtbaren Boden. „Das Akkordeon mit seiner Fähigkeit, sowohl Fläche als auch pointierte Melodie zu bedienen, mochte ich immer schon sehr. Dazu noch gespielt von einem Perfektionisten wie Johannes – das wurde dann in der Tat sehr schnell zum musikalischen Lustprojekt.“

„Lauter Lieder“ heißt das Programm. Für Wagenbreth geht es dabei „immer um Lieder, die eine Geschichte haben oder erzählen – oder beides. Wenn man ein Stück hört, probt, erfindet und merkt, die Freude, die man selbst daran hat, könnte sich auch anderen mitteilen, dann sind es nicht vordergründig Kneipen- oder Massentauglichkeit, die einen bewegen, den Song ins Programm zu hieven. Man freundet sich ja mit Liedern an, entzweit sich gelegentlich mit ihnen, verträgt sich wieder, verändert einander. Das kann man vielleicht auch anderen Leuten vermitteln.“ Irgendwann habe ihm auch einmal ein guter Freund gesagt, „er wolle mir ja nicht zu nahe treten, aber wenn ich beabsichtige, wenigstens einen Teil meiner Lieblingslieder noch auf die Bühne zu bringen, dann müsse ich langsam mal anfangen …“

Ihr Programm haben sie soeben auf CD veröffentlicht, wobei die beiden Musiker nicht ganz so minimalistisch zu Werke gingen und sich einige Gastmusiker ins Studio holten. Die bunte Liedmixtur geht vom französischen Traditional über die goldenen Sechziger bis zum Country, speist sich aus Skandinavischem und Irischem, schöpft aus deutscher Romantik und dem Folksong. Gemischtwarenladen, mag nun der eine maulen, Stilpluralismus, der andere naserümpfen, doch Wagenbreth empfand „Eklektizismus noch nie als Schimpfwort. Im Gegenteil. Wie oft hatte ich Freude daran, dass Musiken unterschiedlichster Art und Herkunft bei ihrem Aufeinandertreffen verblüffende Übereinstimmungen offenbarten – oder geradezu exotische, oft kreative Reibungen hervorbrachten.“


Während sich in Leipzig also Manne Wagenbreth und Johannes Uhlmann daranmachen, Lieblingslieder neu zu entdecken und im kleinen Format auf die Bühne zu bringen, werkeln im nahen Halle Cousin Till Uhlmann und zwei weitere Musikern daran, deutschen Volksliedern eine weltmusikalische Frischzellenkur angedeihen zu lassen.

Angefangen hat es vor ein paar Jahren: Drei Musiker wollen Volkslieder komplett in deutscher Sprache singen, statt wie in ihren bisherigen Gruppen auf Englisch, Gälisch, Baskisch, Schwedisch oder Finnisch. Allein: Das hiesige Volksliederrepertoire reicht ihnen nicht. Volksliedmelodien aus Irland, Schottland und Kanada lassen sich wunderbar unter Texte des Hallenser Dichters Thomas Kolitsch legen. Es entstehen neue Lieder, die klingen, als habe sie ein romantisch veranlagter Poet im neunzehnten Jahrhundert verfasst. Manche Texte haben die Musiker mit Eigenkompositionen ausstaffiert. Lokale Sagen vom Heideförster und den Saalenixen mit schönem romantischen Duktus gesellen sich hinzu und erzählen universell gültige Geschichten mit lokalem Bezug. So entsteht eine neue deutsche Folkmusik, erfrischend ungehört und doch vertraut klingend. Emotional und dennoch kitschfrei. Für ihren innovativen Umgang mit deutschem Liedgut sind Bube Dame König, so der Name des Trios, soeben mit dem Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik für das zweite Quartal 2015 ausgezeichnet worden.

Das Projekt geisterte bereits länger durch die Köpfe von Juliane Weinelt (Querflöte, Gesang) und Jan Oelmann (Geige, Gitarre, Gesang). Erst aber als die Band Ulman pausiert und der Drehleiervirtuose und Geiger Till Uhlmann Zeit hat, kann aus dem Traumländlein Realität werden. Kennengelernt hatten die Musiker sich beim Mitteldeutschlandfinale des Creole-Wettbewerbs. Der Leipziger ist in einer folkbegeisterten Familie aufgewachsen, studiert Jazzvioline an der Hochschule für Musik in Leipzig und spielt oder gastiert in zahlreichen Bands wie Cäsar & Die Spieler und den Dissidenten, tritt auf zahlreichen internationalen Festivals auf. Den Creole-Wettbewerb, den „deutschen Grammy für Weltmusik“, gewinnt er 2007 mit seinen Cousins Johannes und Andreas Uhlmann mit der Band Ulman.

Juliane Weinelt lernt am Georg-Friedrich-Händel-Konservatorium in Halle Querflöte und wirkt in mehreren lokalen Pop- und Liedermacherprojekten mit. Mit Brandan vertont sie mittelalterliche Lyrik aus ganz Europa, in der Irish-Folk-Band Dizzy Spell trifft sie schließlich auf Jan Oelmann. Der hat nach zehn Jahren klassischer Geigenausbildung in Erlangen auf Folkfiddle umgesattelt und in zahlreichen Ensembles Irish Folk, Americana, Bluegrass, Country und Weltmusik gespielt. Oelmann hat rund eintausend Auftritte in Deutschland, Kanada, Spanien und Belgien hinter sich. Als Studiomusiker arbeitet er im Folk- und Weltmusikbereich und wirkt an Filmsoundtracks mit.

„Der rote Faden ihres Volksliedprojektes“, sagt er, „ist bei uns allen der Spaß, mit allen möglichen Versatzstücken aus verschiedenen Traditionen zu spielen.“ Die Inhalte sind teils sehr bekannte, selbstverständlich romantische Volkslieder. Da fließen alle Brünnlein durch kein schöner Land, in dem ein Schnee gefallen ist, ehe der Lenz uns grüßen will. Ein Schelm, wer denkt, dass hier bewusst auf Publikumswirksamkeit hin produziert wurde. „Es sind schlicht Stücke“, erklärt Oelmann, „die wir im Ohr und zu denen wir einen persönlichen Bezug hatten – zwangsläufig etwas bekanntere Lieder.“ Der kreative Zugang, meint er, sei einfacher, wenn eine Melodie eine gewisse Zeit in einem reifen könne. „Du kannst sie dann formen, erkennst intuitiv die Möglichkeiten, die sich für das Arrangement ergeben. Außerdem finde ich es persönlich herausfordernd, Altbekanntem neue Facetten abzugewinnen.“

Die Musik ist tatsächlich „Neue Folkmusik“, wie der Untertitel ihres aktuellen, durch Crowdfunding per sogenannten Liedpatenschaften finanzierten Albums Traumländlein lautet. Die Musik klingt neu und aufregend, eine frische, unverbrauchte Mixtur aus Deutschfolk mit keltischem Groove, Elementen von Mittelaltermusik und Pagan Folk. Virtuos gespielte Instrumente und überraschende Arrangements lassen Bube Dame König so gar nicht nach klassischen Deutschfolkbands klingen. Was die Inspiration angeht, verweist Oelman dann auch eher auf Künstler wie Altan, Union Station, Garmarna, Värttinä. „Die Frage, ob das jetzt nach Ost oder West klingt, kann ich gar nicht so recht beantworten – das spielt aus meiner Sicht auch keine große Rolle mehr.“


Wagenbreth-Uhlmann * Foto: Rainer Justen
Wagenbreth-Uhlmann * Foto: Rainer Justen