Albumtipps:
Ambäck, Chreiselheuer (Eigenverlag, 2019)
Ils Fränzlis da Tschlin & Corin Curschellas, 1,2,3! Dai & Hop! (R-Tunes, 2019)
Stubete am See – Festival 2016 (Musiques Suisses, 2017)
Diverse, Duo Andreas Gabriel & Fabian Müller und die „Helvetic Fiddlers“ (Musiques Suisses, 2009)
|
|
Andreas Gabriel, Ambäck und VerändlerExpeditionen in die Innerschweiz
Er stammt aus einem der kleinsten Kantone der Eidgenossen, aber seine Musik ist groß. Der Nidwaldner Andreas Gabriel hat die innerschweizerische Geigentradition mit seiner Band Ambäck und seinem „Verändler“-Projekt rundum erneuert. Damit ist er Teil einer neuen Schweizer Volksmusikszene, die mit den helvetischen Wurzeln respektvoll, einfallsreich und virtuos neue Klangwelten auslotet.
Text: Stefan Franzen
Mit dem Bandnamen fängt das Ringen um die richtigen Worte zwischen Schwyzerdütsch und Hochdeutsch schon an. „Ambäck, das ist der …, der Spaltstock“, formuliert es Andreas Gabriel vorsichtig, fast fragend. „Also dieser Klotz, auf dem man das Holz spaltet. Das ist der Muotathaler Begriff dafür, und den haben wir genommen, weil wir am Anfang viel Musik aus diesem abgelegenen Tal gespielt haben.“ Wir sitzen in einem Luzerner Café in der Nähe des Hauptbahnhofs. Draußen strömt der Verkehr durch den Regen, drinnen herrscht geschäftiger Betrieb und der Lärm der Mittagspäusler. Man kann sich in dieser Stadt kaum einen urbaneren Fleck vorstellen. Und doch: Durch Gabriels Erzählungen ist man sofort mittendrin in der ländlichen Schweiz. „Spaltstock, das hat doch auch etwas Brachiales. Etwas Uriges, etwas Sperriges, und deshalb hat das sehr gut gepasst“, sagt er.
Bei Ambäck wird das Holz allerdings etwas gefühlvoller behandelt, und dafür bürgen drei Koryphäen der Neuen Schweizer Volksmusik. Sie stehen für grenzoffenes Spiel, bringen Erfahrungen aus Jazz oder Klassik mit: neben Gabriel der Aargauer Markus Flückiger am Schwyzerörgeli (das diatonische Akkordeon der Schweizer Volksmusik) und Pirmin Huber aus dem Kanton Schwyz am Bass. „Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass es nur mit ihnen beiden möglich ist, so zu spielen. Es ist ein glücklicher Umstand, dass wir uns gefunden haben. Wir haben am Anfang urchig gespielt, eben diese alten Muotathaler Geigenstücke, und gemerkt, dass es wahnsinnig geigt, im wahrsten Wortsinn halt. Wir mussten nie über etwas reden, es war einfach klar, von der Dramaturgie her und der Phrasierung. Deshalb haben wir uns entschlossen, weiterzumachen und eigene Kompositionen reinzubringen. Wir drei komponieren sehr unterschiedlich, und deshalb ist es auch sehr spannend, wie dann die Stücke rauskommen, was dann der andere dazu macht. Wir geben uns viele Freiheiten.“
Andreas Gabriels Weg auf der Geige begann früh. Als Kind spielte er bereits Volksmusik, allerdings „aufgearbeitete“, wie er es nennt, und er interessierte sich von klein auf für Folk aus Skandinavien. Ein klassisches Studium schloss sich an. Das war dann fast hinderlich, um wieder in einem zweiten Anlauf zu den Wurzeln zurückzukehren und nicht alles „überzuinterpretieren“, wie er sagt. Für den Nidwaldner nicht die einzige Herausforderung: „Das Spezielle an der Innerschweiz ist ja, dass die Geigentradition eigentlich ausgestorben ist. Deshalb war ich der Exot, der die Geigenmusik wiederbelebt hat. Ich konnte mich auf keine Vorbilder berufen, und deshalb habe ich mir vor allem bei den Schwyzerörgeli-Spielern Anregungen geholt oder auch bei den Bläsern. Und das habe ich dann alles selbst adaptiert für die Geige.“ Erstmals war sein persönlicher Stil im Rahmen des bis heute bestehenden Quartetts Helvetic Fiddlers zu hören, bei dem er mit Patric Stocker, Andy Schaub und Fabian Müller – Letzterer ist auch sein Duopartner –, die alte Fiedelmusik auf Vordermann brachte.
Gabriels Handwerkszeug besteht aus drei Instrumenten, einer normalen Geige, die zweite stimmt er einen Halbton hoch, die dritte einen Halbton runter. „Das hat den Grund, dass die Schwyzerörgeli auch verschiedene Stimmungen haben. Ich habe mir gedacht, wenn ich mit ihnen As-Dur oder Des-Dur spielen muss, dann will ich mich frei entfalten in einer fiedlerischen Art. Früher haben sie es ja auch oft so gemacht: Sie haben die Geigen einen Halbton umgestimmt zu den Örgeli. Die hohe Geige, eine B-Geige, die ist auch scharf und urchiger vom Charakter, die benutze ich für die schnelleren Stücke auf dem neuen Album wie den ‚Double‘ oder den ‚Stumpää‘.“ Seine moderne Geige dagegen, eine französische, ist gar nicht spezifisch für Volksmusik gebaut worden. Er spielt sie meistens bei den langsamen Stücken, da er dort viel an klanglichen Feinheiten feilt.
... mehr im Heft. Die Ausgabe 3+4/2020 in voller Länge online lesen? Dann geht's hier entlang ...
Ambäck * Foto: Gian Marco Castelberg |
|