Aktuelles Album:
Tzenni (Glitterbeat/Indigo, 2014)
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Noura Mint SeymaliExperimentelle Arrangements eines musikalischen Erbes
Mauretanien gerät bislang meist mit anderen Themen ins Schlaglicht des öffentlichen Interesses als mit seiner Musik. Es sind eher die Flüchtlinge und Schleuser, die von hier von der Westküste Afrikas zu den Kanarischen Inseln übersetzen, die die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das könnte sich jedoch durch Noura Mint Seymali jetzt ändern, die mit ihrer zeitgemäßen Interpretation mauretanischer Griotmusik auf ihrer aktuellen Veröffentlichung Tzenni die internationale Musikszene bereichert.
Text: Franz X. A. Zipperer
Noura Mint Seymalis kreativer Lebensweg ist durch ihre Geburt in eine Familie von Griots vorgezeichnet. Zudem hat ihr Vater Seymali Ould Ahmed Vall die mauretanische Musik erstmals in die Weiten der Welt hinausgetragen, indem er das erste System für ihre Notation ausgearbeitet und die Musik für die Nationalhymne komponiert hat. Doch damit sind die familiären musikalischen Verbandelungen Noura Mint Seymalis noch nicht zu Ende, denn da gibt es auch ihre Großmutter Mounina. Die hat nicht nur schon immer mit ihrer Enkelin gesungen und damit die Grundlagen für Nouras variantenreiche, tiefe und kraftvolle Stimme gelegt, sondern sie auch die Ardin gelehrt, eine sieben- oder neunsaitige Winkelharfe, die nur von maurischen Frauen gespielt wird. Zudem ist sie die Stieftochter Dimi Mint Abbas, einer der bekanntesten Sängerinnen des Landes. Später tritt dann der Gitarrist und Tidinitspieler Jeiche Ould Chighaly, ebenfalls ein Griot, in ihr Leben, der heute ihr Mann ist. Die Tidinit ist eine gezupfte, viersaitige Langhalslaute. Das Ehepaar hat einen kreativen Traum: „Wir wollen dazu beitragen, dass mauretanische Musik im einundzwanzigsten Jahrhundert ankommt“, bekräftigt Noura Mint Seymali. „Ich möchte meinem Vater nacheifern und sie in die ganze Welt tragen.“ Das jedoch ist in Mauretanien nicht so selbstverständlich, denn obwohl das Land gemeinsame Grenzen mit den Staaten Algerien, Mali oder Senegal, den Hochburgen des Arab- und Afropop hat, prägt die mauretanische Szene eher traditionelle Musik. Popmusik ist eine Randerscheinung.
„Wenn mich Musik interessiert, dann ist es egal, woher sie kommt, dann möchte ich, dass sie meinen Klangkosmos befruchtet“, fährt sie fort. „Ich zögere nicht, Reggaerhythmen genauso zu nutzen, wie ich ganz traditionellen maurischen Gesang mit Technomustern kreuze.“ Für dieses Ansinnen findet sie in Jeiche Ould Chighaly den passenden Mitstreiter. „Er ist maßgeblich vom Gitarrenstil Mark Knopflers beeinflusst“, erklärt Noura Mint Seymali. „Dessen Musik fand schon zu Zeiten, als es das Internet noch nicht gab, seinen Weg nach Mauretanien – ähnlich wie die von Led Zeppelin zu Tinariwen in die Wüste gelangte.“ Über die Jahre hat Chighaly einen wilden, verführerischen Wah-Wah-Effekt-durchtränkten Stil entwickelt, der im Ohr süchtig machende Klangfeuerwerke zündet. Er improvisiert wie beim Jazz über ein Thema, das stets aus traditionellen maurischen Melodien und Rhythmen stammt. „Dabei hat seine Gitarre eine maurische Stimmung“, so die Sängerin, „was er dadurch erreicht, dass er auf einem bundlosen Modell spielt, das ihm die Freiheit gibt, extreme Vibrato- und Slide-Phrasierungen zu spielen und damit die maurischen Wurzeln noch strahlender in den Rockkontext zu überführen.“ Vergleichbar gehen Bassist Ousmane Touré und Schlagzeuger Matthew Tinari zu Werke, letzterer zwar an einem Rockschlagzeug, das klanglich aber an die traditionellen Percussioninstrumente T’beul und Gangesh angelehnt ist.
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