|
Die Freiheit einer Höhle ist zu kleinBarbara ThalheimBar jeder Vernunft, Berlin, 5.7.2015
Text: Stephan Göritz
In ihrem neuen Programm „Alt-Tag“ setzt sich Barbara Thalheim mit dem Widerspruch auseinander, dass jeder alt werden will, sich aber alle beklagen, wenn sie alt sind. Doch bei der Siebenundsechzigjährigen war Jammern nicht angesagt. Stattdessen versprach sie, ohne Marmeladenmund alt zu werden und auch noch mit knackenden Knochen einen Veitstanz aufs Parkett zu legen. Und sie gab praktische Tipps, wie man sich auf den Alltag seines Alt-Tags vorbereiten solle: große Leidenschaften pflegen, nicht an Geld denken und etwas dafür tun, dass man sich nicht zu oft mit sich selbst beschäftigen muss.
Um zur intensiveren Auseinandersetzung mit ihren Liedern anzuregen, hatte sie befreundete Filmemacher und Zeichner wie Joachim Tschirner und Daniela Richter gebeten, einige Stücke des Abends bildlich umzusetzen. Diese Comic-, Foto- und Realfilme verliehen den Liedern eine zusätzliche Dimension. So wurde „Alte Frau im Winter“ über Alltagserfahrungen einer Alleingelassenen fast ins Mythische erhoben: Die Porträtfotos von Frauen der Generation siebzig plus zeigten jene typischen Risse, die man sofort mit alten Fresken verbindet. Zum „Höhlenlied“, einem Thalheim-Klassiker von ihrer 1980er-LP Was fang ich mit mir an, sah das Publikum comichafte Zeichnungen von Thälmann-Pionieren und NVA-Soldaten. Damit wurde die besungene Höhle, der geliebte Rückzugsort, aus heutiger Sicht plötzlich zur Metapher für die DDR – aber ohne diese zu verklären, lautete die zeitlos gültige Schlusszeile doch nach wie vor: „Die Freiheit einer Höhle ist zu klein.“ Dieser und andere Texte von Fritz-Jochen Kopka, mit dem Barbara Thalheim einst ihre Liederlaufbahn begonnen hatte, erwiesen sich auch jetzt als dicht und belastbar. Manch anderes wirkte leider beliebig, so ein Lied über die Freiheit, das nicht über die Aufforderung hinauskam, stets zu fragen, wessen Freiheit man meine und wovon man frei sei.
... mehr im Heft. |
|