Auswahldiskografie:
Voxtra, The Encounter Of Vocal Heritage (2016)
Refugees for Refugees, Amerli (2016)
Vardan Hovanissian & Emre Gültekin, Adana (2015)
Malick Pathé Sow & Bao Sissoko, Aduna (2012)
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Flüchtlinge als musikalische VorbilderDie belgische Stiftung MuziekpubliqueEinzigartige Kulturförderung seit fünfzehn Jahren
Sie machen nicht viel Aufsehen um sich selbst. Dennoch leistet das Team der Stiftung Muziekpublique Außergewöhnliches, wenn es um die Integration von Flüchtlingen und Migranten etwa aus dem Mittleren Osten, Arabien oder Nordafrika geht. Als Konzertveranstalter, Plattenlabel, Festivalorganisator oder Akademie ist die Institution nicht nur Sprachrohr für hochklassige traditionelle Musik, sie gibt den Zuhörern vor allem die Möglichkeit, diese selbst zu lernen.
Text: Erik Prochnow
Es ist eine besondere Atmosphäre, die sich da im ausverkauften Théâtre Molière, mitten im nordafrikanischen Viertel Brüssels entfaltet. Die acht Hauptakteure auf der Bühne stammen aus dem Irak, aus Afghanistan, Syrien, Pakistan und Tibet. Virtuos verbinden sie Gesang und traditionelle Instrumente wie Dambura, Dramyen, Nay, Ud, Kanun oder Sarod zu einem interkulturellen Feuerwerk. Doch was das Projekt einzigartig macht, ist, dass die acht Musiker und Musikerinnen Flüchtlinge sind. Die Band Refugees for Refugees ist die Idee der Brüsseler Stiftung Muziekpublique, einer europäischen Pionierorganisation in puncto kultureller Verständigung und Weltmusik. „Angesichts der dramatischen Szenen 2015 wollten wir etwas tun und zeigen, dass Flüchtlinge nicht nur Bettler und Terroristen sind“, sagt Peter Van Rompaey, Gründer und Leiter von Muziekpublique. „Im Gegenteil, vor allem musikalisch können wir viel von den Flüchtlingen lernen, da unter ihnen herausragende Musiker sind.“
Im März feiert die Einrichtung ihr fünfzehnjähriges Jubiläum, und die Geschichte der Stiftung ist beeindruckend: 1.500 Konzerte mit 8.000 Künstlern aus über 200 Nationen, 15 Festivals mit 300 Wohnzimmerkonzerten in 25 Brüsseler Vierteln, 300.000 Zuschauer, 8 hochgelobte eigene Albumproduktionen und jede Woche 40 Unterrichtskurse mit im Schnitt 400 Teilnehmern. Den Grundstein zu der musikalischen Weltmusikplattform legte Van Rompaey mit Freunden bereits Ende der Neunzigerjahre, als sie Konzerte und Radiosendungen organisierten. „Da bekannte Künstler sehr teuer waren, schauten wir uns unter den damaligen Immigranten in Belgien um“, erinnert sich der ehemalige Journalist. „Wir entdeckten, dass es unter ihnen eine Menge guter Musiker gab, die niemand kannte.“ Schon damals waren viele unter ihnen Flüchtlinge oder Kinder von Flüchtlingen. Sie hatten keine Papiere und einige leben bis heute illegal in Belgien. Angesichts der hohen Qualität der Künstler entstand die Idee von Muziekpublique, die van Rompaey 2002 mit vier Mitstreitern ins Leben rief. Das erste Projekt hieß konsequenterweise „Musiques Cachées“, „verborgene Musik“. Künstler, die im Rahmen dieser Reihe auftraten, waren etwa der marokkanische Gitarrist Khalid Izri, das kolumbianische Ensemble Grupo Cumbe oder die belgische Folkgruppe Tantra.
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