Zeichnung: Woody Guthrie Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications |
Michael Sez
Nun liegt er vor, der „runderneuerte“ Folker, ich meine natürlich „folker“. Das geänderte Layout bringt unter anderem auch eine größere Schrift mit sich. Das muss nicht unbedingt heißen „mehr Form, weniger Inhalt“. Ich habe jedoch an dieser Stelle gut tausend Zeichen weniger zur Verfügung. Aber wie heißt es doch so schön: In der Kürze liegt die Würze.
Eine Rückgabewelle hat das Ende des Musikpreises Echo besiegelt. Das Bedauern darüber hält sich in Grenzen. Für die Themen dieses Musikmagazins – Folk, Lied und Weltmusik aka „song, folk, global“ – hat sich der Bundesverband Musikindustrie als Veranstalter ohnehin nie interessiert. Uns sollte jedoch die Doppelmoral interessieren, von der die Debatte um die Preisverleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang geprägt ist. Vorab sei festgehalten: Ihre geschmacklose Entgleisung mit antisemitischen Klischees ist nicht zu entschuldigen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der vermeintliche Judenhass der Echo-Gewinner nur ein Thema ist, weil sie Muslime sind. Andere vermeintliche Antisemiten bekamen ihre Preise mehr oder weniger geräuschlos, ohne dass andere Preisträger ihre Ehrung zurückgegeben haben. Da ist beispielsweise die Rechtsrockband Freiwild, die vor zwei Jahren einen Echo gewann. Die Südtiroler spielen in ihren Texten mit antisemitischen Klischees. Oder der mehrfache Echo-Preisträger Xavier Naidoo. In seinem Lied „Raus aus dem Reichstag“ bedient der Musiker antijüdische Vorurteile mit der Anspielung auf eine jüdische Weltverschwörung. Auch sein Auftritt vor Anhängern der rechtsextremen Reichsbürger entlarvt Naidoo als politischen Brandstifter. Der Unterschied zu Kollegah und Farid Bang: Die Rapper provozieren – wenn auch unvertretbar und allemal nicht preiswürdig –, Naidoo politisiert, was in diesen Zeiten auf einen gefährlichen Nährboden fällt. Die versammelte Musikprominenz schwieg jedoch bei ihm und Freiwild. Glaubwürdig ist das nicht.
Wo bleibt das Positive? Eine Frage, die mir ein regelmäßiger Leser dieser Kolumne wegen meiner kritischen Anmerkungen gestellt hat. Zu diesem Thema verbreitete er kürzlich in einer Rundmail eine Botschaft des Spiegel-Autors Christian Stöcker: „Selbstverständlich ist es richtig, dass wir unseren Blick auf das richten, was noch nicht gut ist, denn es soll ja besser werden. Dass wir dabei aber aus dem Blick verloren haben, dass die Dinge tatsächlich besser, nicht schlechter werden, ist nicht nur schade, sondern gefährlich: Die zur Gewohnheit gewordene, auf Fehlinformationen fußende Angst vor Abstieg und Untergang ist ein miserabler Ratgeber …“ Zwei Links führen den interessierten Leser zur Spiegel-Quelle des Zitats und zu dem Hashtag „#constructivenews“ auf Facebook. Positive Nachrichten ausgerechnet auf Facebook? Vielleicht passt das zur Ankündigung des Gründers und Vorstandschefs des sogenannten sozialen Netzwerks, es nach dem jüngsten Imageschaden (Facebook als Ort für russische Propagandisten, ungehinderte Verbreitung von Falschnachrichten und Lügen sowie für rechtspopulistische Medien und Parteien) „zu reparieren“?
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