Zeichnung: Woody Guthrie Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications |
Michael Sez
„Wir sollten unseren eigenen Hintern hochkriegen und versuchen, auch wieder stärker politisch in unseren Songs zu sein.“ Wer hat das wenige Tage vor der Bundestagswahl gesagt? Wahrscheinlich werden Sie nicht sofort drauf kommen, deshalb noch ein Zitat als kleine Hilfe: „Ich hab von Frau Merkel auch noch nichts dazu gehört, was im Osten vorgeht, was da für ein Rechtsruck passiert.“ Sie wissen es immer noch nicht? Okay, es war Herbert Grönemeyer, der mit anderen Musikern und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen auf dem diesjährigen Reeperbahnfestival darüber diskutierte, wie Musiker politische Verantwortung zeigen könnten. Gerade junge Kunst sei dazu da, „den Etablierten auf die Nerven zu gehen und zu sagen: Das ist Mist, was ihr hier macht“, erklärte Grönemeyer. Gut gebrüllt, Löwe, kann ich da nur sagen. Ich bin gespannt, wann und wie der Ruhrpottkünstler mit Wahlheimat London seinem in Hamburg verkündeten Appell nachkommen wird: „Wir müssen trommeln und die Leute motivieren, sich zu engagieren. Das ist unsere Aufgabe in dieser Kette von Menschen, die etwas verändern wollen.“
Deutschland hat gewählt, und man fühlt sich an George Orwells Neusprech aus seinem Roman 1984 erinnert, wenn Kanzlerin Merkel jetzt bei einem Verlust von mehr als acht Prozent der Stimmen ohne rot zu werden behauptet, das Volk habe ihr den Auftrag gegeben, die neue Bundesregierung zu bilden. Die Reaktion der meisten Künstler vor und nach dem Wahltag? Man könnte fast sagen: Schockstarre. Was meinte Herbert Grönemeyer dazu auf dem Reeperbahnfestival so schön? Er bezeichnete die Szene als „Frau-Merkel-durchgenebelt“. Keine schlechte Formulierung.
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