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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2016   Internetartikel
Michael Kleff * Foto: Ingo Nordhofen

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit




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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Zeichnung: Woody Guthrie
Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications


Michael Sez

Meine letzte Kolumne ist auf Kritik gestoßen: Zu viel Politik, zu wenig Musik, hat mir jemand gesagt. Okay, dann will ich mich dieses Mal zusammenreißen und mehr Musik mit Politik verbinden. Fangen wir mit Aldi an. Nein, keine Sorge, ich will mich nicht mit der gewerkschaftsfeindlichen Einstellung der Unternehmensbosse und der Behinderung der Pressefreiheit durch das Unternehmen beschäftigen. Auch nicht damit, dass bei Aldi Gewinne privatisiert und beispielsweise Entsorgungskosten der Allgemeinheit beziehungsweise dem Steuerzahler aufgebürdet werden. Da es an dieser Stelle ja um Musik gehen soll, ist mein Thema der Musikstreamingdienst, den das Unternehmen jetzt in Kooperation mit Napster anbietet. Und um den zu verkaufen, klotzt der Billigmarkt richtig ran. Unter anderem wurde in einer ganzseitigen Anzeige in der Welt am Sonntag Mitte September für den ersten eigenen Aldi-Song geworben. Titel „Einfach sein“ von Fargo. Und das mit beeindruckenden Worten: „Für Fargo aus Berlin ist klar. Das Leben ist zu komplex. In seinem neuen Song … rappt er über die moderne Welt, warum sie so kompliziert ist und was man dagegen machen kann.“ Wow. Endlich hat ein Künstler die Antwort auf die Fragen der Zeit parat: „Weniger nachdenken und einfach befreiter leben.“ Wer Fargo ist? Nun, keine Ahnung. Also im Internet gesucht – nein, nicht mit der Datenkrake Google, sondern mit der von Edward Snowden empfohlenen Seite hulbee.com –, aber da bin ich auf alles Mögliche gestoßen, vom Film der Coen-Brüder über die gleichnamige Fernsehserie bis zu einem Studiodesigner und einer Stadt in North Dakota. Der Berliner Musiker hat es offensichtlich noch nicht auf die vorderen Ergebnisseiten gebracht. Da muss Aldi offensichtlich noch etwas investieren.
Berlin hat gewählt. Und wo ist da die Musik? Nun, ich denke, Reinhard Mey sollte ARD und ZDF sowie alle beteiligten Spitzenpolitiker wegen Plagiats verklagen. Ein Griff ins LP-Regal bringt das Album Farben aus dem Jahr 1990 hervor. Darauf findet sich das Lied „Wahlsonntag“. Man könnte meinen, alle an der Wahlberichterstattung Beteiligten hätten sich einzelne Textzeilen daraus für ihre Statements und Fragen herausgesucht. Zwei Beispiele gefällig: „… in dem, was Sie da eine Wahlschlappe nennen, / Ist der Aufwärtstrend doch überdeutlich zu erkennen. / Seh’n Sie, unsere Verluste war’n noch niemals so gut, / Der Kurs stimmt, weiter so, dieses Ergebnis macht Mut!“ Oder: „Sie seh’n ja selber, alle Analysen zeigen: / Die Einbußen sind noch immer ständig im Steigen. / Und so gesehen und ganz nebenbei bemerkt / Hat uns diese Niederlage ganz gewaltig gestärkt!“ Statt des unerträglichen Gesülzes der Politiker, für das die fragenden Journalisten durchaus mitverantwortlich sind, hätten ARD und ZDF lieber einen schönen Film zeigen sollen. Vielleicht gibt es ja sogar eine Liveaufnahme mit Reinhard Mey aus einer Sendung, in der er den „Wahlsonntag“ gesungen hat.

... mehr im Heft.