Zeichnung: Woody Guthrie Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications |
Michael Sez
Der (Vor-)Wahlkampf um die Nachfolge von US-Präsident Barack Obama geht auf seinen Höhepunkt zu – und erreicht bei den Republikanern zugleich einen moralischen Tiefpunkt. Wenn es nicht so ernst wäre, müsste man angesichts des Diskussionsniveaus lachen. Von der Penisgröße bis zum Aussehen der Ehefrauen reicht die Palette der Themen, über die Politiker wie Ted Cruz und Donald Trump streiten. Dabei finden sie auch noch Unterstützung von Stars der Unterhaltungsbranche und aus der Welt des Sports. So möchte Boxer Mike Tyson beispielsweise Donald Trump im Weißen Haus sehen. Ebenso wie die Countrydiva Loretta Lynn oder der Rocker und Waffennarr Ted Nugent. Cruz weiß nicht nur den Schauspieler James Woods, sondern auch den Dramatiker David Mamet und den Rundfunkmoderator Glenn Beck auf seiner Seite. Sowohl Schauspieler Mickey Rourke als auch Kid Rock und Roger McGuinn haben sich (vergeblich) für den Ex-Gehirnchirurgen Ben Carson eingesetzt – einen Kandidaten, der als Wissenschaftler den Klimawandel leugnet. Johnny Van Zant, der Leadsänger der Südstaatenband Lynyrd Skynyrd, griff für den ebenfalls bereits aus dem Rennen ausgeschiedenen Marco Rubio in die Saiten seiner Gitarre. Und der Countrymusiker Toby Keith für den gescheiterten Kandidaten des Bush-Clans, Jeb Bush. Viele US-Musiker geben sich zwar gern ein wenig patriotisch, aber Rassismus, Frauenfeindlichkeit, christlicher Fundamentalismus und Law-and-Order-Politik sind nicht ihr Ding. Daher sind die meisten Republikaner-Unterstützer aus der Kulturszene eher in der B-Kategorie anzusiedeln. Und nicht nur Trump wurde gerichtlich abgemahnt, weil er ungefragt Musiktitel unter anderem von Adele, R.E.M. und Aerosmith für seine Kampagne eingesetzt hatte.
Anders sieht es bei den beiden Kandidaten der Demokraten aus. Passend zu ihrem politischen Programm versammelt Hillary Clinton mit Katy Perry, Snoop Dogg, Cher, Kanye West, Lady Gaga oder Pharrell Williams eher Vertreter des musikalischen Establishments um sich. Da liest sich die Liste der Namen, die den Sozialisten Bernie Sanders unterstützen, schon eindrucksvoller. Zumal unter diesen Künstlern viele sind, die sich schon immer mit ihrem Engagement für eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse in den USA eingesetzt haben: Jackson Browne, David Crosby, John Densmore (The Doors), Steve Earle, die Red Hot Chili Peppers, Bill Frisell, Donovan, Charlie Musselwhite, Graham Nash, Bonnie Raitt, Duke Robillard, Susan Sarandon, Michael Stipe (R.E.M.), Jeff Tweedy (Wilco), Loudon Wainwright III und Lucinda Williams. Simon & Garfunkel haben Sanders sogar ihren alten Song „America“ geschenkt – in der Hoffnung, dass er dieser Textzeile einen neuen Sinn geben kann: „Alle sind sie gekommen, um nach Amerika zu suchen.“ In den USA gehören prominente Unterstützer schon immer zum Wahlkampf. Anders in Deutschland, wo zunehmend weniger Vertreter der Kulturszene ihren Namen für eine politische Partei hergeben. Angesichts deren Konzeptlosigkeit ist das wohl auch nicht überraschend. Wer will schon seinen guten Namen für einen Mann wie Sigmar Gabriel hergeben, dessen Politik ausschließlich von machtpolitischer Opportunität geprägt ist.
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