Zeichnung: Woody Guthrie Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications |
Michael Sez
Man könnte meinen, die Öffentlich-Rechtlichen lassen nun wirklich keine Gelegenheit aus, Anlässe für ihre Abschaffung zu liefern. Jüngstes Beispiel: das Hickhack um den deutschen Beitrag für den diesjährigen Eurovision Song Contest. Unbeschadet der Frage, ob man angesichts der künstlerischen Niveaulosigkeit, die dieser Wettbewerb jedes Jahr akustisch und optisch unter Beweis stellt, den ESC nicht lieber ganz streichen sollte, kann der Schritt der ARD, den deutschen Teilnehmer direkt und ohne Entscheidung der Zuschauer zu nominieren, nur verwundern. Offensichtlich war der ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber richtig stolz darauf, Xavier Naidoo in einer Nacht- und Nebelaktion im Mai in Stockholm für Deutschland ins Rennen schicken zu wollen. Schließlich sei Naidoo ein „Ausnahmekünstler, der seit zwanzig Jahren seinen Platz im deutschen Musikleben“ habe. Auch Naidoo freute sich: „Ich hab richtig Lust auf den ESC! Dieser völkerverbindende Wettbewerb ist für mich etwas ganz Besonderes“, wurde er auf eurovision.de zitiert. Wirklich? Naidoo steht für Freiheit und Toleranz? Seine Erklärung, „Deutschland ist kein souveränes Land.“ würde ich wohl auch unterschreiben wollen. Allerdings würde ich mir nicht die rechtsradikalen, sogenannten Reichsbürger, vor denen er aufgetreten ist, als Kronzeugen ins Boot holen. Und wie ist es um Naidoos homophoben und antisemitischen Texte bestellt? Schreiber räumte ein, dass der Künstler polarisiere. Er sei jedoch überzeugt, dass Naidoo weder ein Rassist noch homophob sei. Die Wucht der Reaktionen, auch innerhalb des NDR als
federführender ARD-Anstalt, war dann aber doch so heftig, dass der Vorschlag zurückgezogen wurde. Das wiederum rief schwergewichtige Freunde Naidoos auf den Plan. Zunächst meldeten sich Comedians und Schauspieler. Dabei toppte Til Schweiger, das Tatort-Großmaul vom Dienst, das Ganze mit dieser Aussage: „Was hier gerade von sogenannten Leitmedien abgezogen wird, das ist eine Form von Terrorismus!“ Solidarität erfuhr der verhinderte ESC-Künstler auch von vielen Musikerkollegen. Der im Londoner Luxusexil lebende vermeintliche Ruhrpottbarde Herbert Grönemeyer zeigte sich empört. Und Marek Lieberberg, Naidoos Konzertveranstalter, schaltete eine Anzeige in der FAZ. Eine illustre Liste von Musikern wie unter anderem Jan Delay, Jan-Josef Liefers, Andreas Gabalier, Anna Loos und die Prinzen unterschrieben den Aufruf „Menschen für Xavier Naidoo“. Auf welche geniale Idee die ARD als Ersatzlösung für Naidoo gekommen ist, werden Sie wissen, wenn Sie dieses Heft in der Hand haben. Mit etwas Glück auch, was es den Gebührenzahler kosten wird. Denn offensichtlich war mit Naidoo schon ein Vertrag geschlossen worden.
... mehr im Heft. |