Zeichnung: Woody Guthrie Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications |
Michael Sez
Es war ja zu erwarten. Schon seit dem Ausscheiden Jan Reichows als Leiter der Volksmusikredaktion des WDR vor zehn Jahren wurde der Bereich Folk, Lied und Weltmusik immer weiter an den Rand gedrängt. Es kamen das Aus für die „Matinee der Liedersänger“ sowie „Reformen“, die von vielen eher als Programmabbau bezeichnet wurden. Jetzt steht der nächste Einschnitt an. Werner Fuhr hatte seinen Schreibtisch Ende September noch nicht geräumt, als der Rundfunkrat bereits seit Längerem bestehende Pläne zur Veränderung des Programms verabschiedete. Demnach wird die Spätabendschiene mit der Sendung „WDR 3 Open – Soundworld“ aufgelöst. Die „WDR 3 Musikkulturen“ an Wochenenden und an Feiertagen fallen ersatzlos weg. Die „Musikkulturen“-Inhalte sollen innerhalb einer neuen zweistündigen Spätabendschiene Raum finden. Der Arbeitstitel für die Sendung – „Jazz & World“ – erinnert mich an eine Erfahrung, die ich als Kind gemacht habe. Ich las damals die Rasselbande. Das war eine Jugendzeitschrift, die erstmals 1953 erschien und 1966 in der kurzlebigen Zeitschrift Wir aufging. Die wiederum wurde zu OK, einer Musikzeitschrift, die ein wenig seriöser über die aktuelle Musikszene berichtete als Bravo. Es dauerte nicht lange und die Redaktionen der beiden Zeitschriften wurden vereinigt. Für eine kurze Zeit erschienen sie unter einem gemeinsamen Titel: Bravo/OK. Wobei der Schriftzug „OK“ innerhalb weniger Monate immer kleiner wurde und schließlich ganz verschwand. Was das mit der Weltmusik im WDR zu tun hat? Nun, die Stelle Werner Fuhrs wird nicht neu besetzt. Die von ihm verantworteten Programminhalte sollen von Dagmar Töpfer und Bernd Hoffmann betreut werden. Doch auch diese beiden Redakteure werden dem Vernehmen nach wohl schon in ein paar Jahren in den Ruhestand gehen. Noch Fragen? Es soll dann keiner sagen, ich würde immer nur alles schwarzsehen!
Doch reden wir über Musik (und Politik). Endlich kann ich einen meiner Lieblingsrocktitel wieder auflegen, ohne ein ganz so schlechtes Gewissen zu haben: „Sweet Home Alabama“. Nachdem der US-Bundesstaat South Carolina vor einigen Monaten die Südstaatenflagge, ein Relikt aus den Zeiten der Sklaverei, von seinem Regierungssitz entfernt hatte, schauten sich Redakteure des US-amerikanischen Rolling Stone einmal die Onlineshops von Musikern an, die gerne Artikel mit der umstrittenen Symbolik anbieten. Lynyrd Skynyrd waren unter denen, die ganz schnell den letzten Merchandisingartikel mit der Konföderiertenflagge aus dem Angebot genommen hatten. Unverbesserliche werden dennoch ihre Bedürfnisse erfüllen können. So zum Beispiel mit dem „Rebel-Wing“-T-Shirt der Gruppe Nashville Pussy. Oder dem „Hesher Dream T-Shirt“ der texanischen Metalband Pantera, auf dem eine nackte Blondine vor der Flagge zu sehen ist. Und auch der Sänger Kid Rock, der gerne auf einer mit großformatigen Flaggen geschmückten Bühne auftritt, zeigte sich, wie man es von einem reaktionären Musiker erwartet. Im Sender Fox News, der Stimme der Konservativen in den USA, meinte er über Gegner der Südstaatenflagge: „Sagen Sie den Leuten, die protestieren, dass sie mich mal gernhaben können.“
Die Tage bin ich dann auch mal wieder auf einen Pressetext gestoßen, der einen Ehrenplatz in meiner Sammlung „Waschzettel des Monats“ bekommt, da ändern auch dort zitierte Lobeshymnen von Spiegel Online („Das Aufregendste, was deutsche Popmusik gerade zu bieten hat.“) oder Rolling Stone („Die Art, wie sie singt, ist hier die Sensation. Eine echte Entdeckung.“) nichts.
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