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Alphorn am AlexGebirgsklänge erobern BerlinAuf der Suche nach dem urbanen Wurzelklang
Coole oder spirituelle Klänge, authentisch und abgefahren: Dafür ist Berlin bekannt – und dann das: Ein Alphorn-Ensemble beim Straßenfest, Jodeln im Club, Talerschwingen im Park. Alpenmusik hat die Hauptstadt erreicht.
Text: Ulrike Zöller
Herbst 2000, Gespräch zwischen zwei Teenies in der Straßenbahn: „Kann ich heute bei Dir übernachten? Meine Mutter hat eine Freundin aus Bayern zu Besuch und das ist nur peinlich. Und sage es aber bitte niemandem, dass meine Mutter jemanden aus Bayern kennt. Ich schäm mich so dafür: Wie die reden, und dann dieses Gejohle. Schrecklich.“ Das „Gejohle“, der traditionelle Gesang Bayerns, war damals schon mein Fachgebiet, ich fühlte mich tief getroffen und ging auf Spurensuche nach Alpinem in der Hauptstadt. Nach Berlin zog es schon im 19. Jahrhundert viele Bayern. So viele, dass bereits 1876 der „Verein der Bayern in Berlin“ gegründet wurde. Auch in Bierhallen und Unterhaltungsbühnen mit bayerischen „Schmankerln“ traten Blaskapellen und Solokünstler auf, vermittelt von bayerischen und Berliner Agenturen. Bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg bot Berlin bayerischen Musikern bessere Verdienstmöglichkeiten als die Heimat.
Alpin? Wenn, dann nur als Ulk!
Ab den Siebzigerjahren war alpenländische Traditionsmusik in Berliner Folk- und Weltmusikkreisen im Allgemeinen absolutes NoGo – konnte sie sich doch bis vor kurzem nicht von ihrer politischen Konnotation lösen. Was allerdings erlaubt war, ja sogar gefeiert wurde, war das schrille Spiel mit alpenländischen Klischees: Die Geschwister Pfister, Anfang der 1990er Jahre von Christoph Marti gegründet, präsentierten skurriles Musikkabarett mit allen Versatzstücken aus dem Heidi-Land, derer sie in ihrer Fantasie habhaft werden konnten. Das Konzept funktioniert bis heute nicht nur in ihrem Stammtheater, der Bar jeder Vernunft.
Andere SängerInnen und Bands aus Deutschland, Österreich und der Schweiz suchten in Berlin Anonymität, versuchten, einer sozialen oder alpinmusikalischen heimatlichen Erwartungshaltung zu entkommen. So erklärte die österreichische Sängerin Sandra Kreisler – mit ihrem Schweizer Lebensgefährten Roger Stein als „Wortfront“ unterwegs – dass sie in Berlin eine Freiheit spüre, die sie in Wien vermisse, da sie dort unter anderem ständig am Werk ihres Vaters Georg Kreisler gemessen werde.
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