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Folker-Halbmast
EBERHARD „PADDY“ BORT
1.12.1954, Ilsfeld,
bis 17.2.2017, Edinburgh, Schottland
Sein Tod hat eine gewaltige Lücke in die Folkszene gerissen. Eberhard „Paddy“ Bort war langjähriger Förderer des Edinburgh Folk Club, des Wee Folk Club und des Phoenix-Irish-Pubs in Lauffen. Er war Teil meines persönlichen musikalischen und sozialen Umfelds seit ich achtzehn war und gab mir Schützenhilfe in den Anfängen meiner Laufbahn als Musiker. Als Deutscher kam er nach Schottland, um unsere kulturellen Schätze, die wir zu wenig beachtet haben, in ein helleres licht zu rücken. Paddy war ein erklärter Freund und Förderer alles Irischen und Schottischen, Hunderte von uns aus der Folkszene verdanken ihm Auftrittsmöglichkeiten in allen Phasen unserer jeweiligen Entwicklung und profitierten von seiner Energie und Begeisterung. Stundenlang besprach er das Thema meiner Magisterarbeit mit mir, das Phänomen, dass schottische und irische traditionelle Musik im deutschsprachigen Raum so beliebt ist. Pausenlos unterwegs zwischen seinem Büro an der Universität von Edinburgh, dem Royal-Oak-Pub und seiner Wohnung in der Nicolson Street, kam Paddy niemals zur Ruhe. Tagsüber war er ein angesehener Akademiker, der Hunderte Studenten nach Schottland brachte, um bei ihm zu lernen, wie man Politik auf kommunaler Ebene betreibt. Er arbeitete dabei mit der Jimmy Reid Foundation oder den Scottish Fabians zusammen und war ein Verfechter dieser Form der repräsentativen Demokratie. Von ihm stammen zahlreiche Werke über schottische und europäische Politik, die er selbst schrieb oder herausgab, und er war ein angesehener Experte auf diesem Gebiet. Sogar im schottischen Parlament wurden als Reaktion auf seinen Tod zwei Anträge zu seinem Gedenken eingereicht, die von mehr als fünfzig Parlamentariern aller Parteien unterstützt wurden. Selbst Nicola Sturgeon, Schottlands First-Ministerin hat öffentlich ihr Beileid bekundet. Der Verlust seiner Expertise ist an dem Punkt, an dem die europäische Geschichte aktuell steht, besonders tragisch. Im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre war Paddy zudem maßgeblich daran beteiligt, das Vermächtnis des schottischen Poeten, Folkloristen und Intellektuellen Hamish Henderson zu bewahren, unter anderem durch die Organisation des Carrying Stream Festivals oder sein Engagement für den Hamish Henderson Archive Trust. Zu meinen schönsten Erinnerungen gehören die Zeiten Ende der Neunziger, als im Royal Oak Theaterstücke aufgeführt wurden, wo sich Paddys große Liebe zur irischen Literatur offenbarte, insbesondere zu den Werken Flann O’Briens. Großartig war auch das Zusammensein mit ihm im Phoenix-Irish-Pub in Lauffen, wo er zu großer Form auflief, komplett entspannt und wirklich „daheim“. So vieles habe ich hier ausgelassen – Paddy hat so viel für uns alle getan, für Schottland, für Europa. Am traurigsten aber ist, dass wir ihm nicht mehr sagen konnten, wie dankbar wir ihm für alles sind.
Anm. d. Red.: Eberhard „Paddy“ Bort war langjähriger Autor des Folker und zeichnete unter anderem verantwortlich für die inhaltliche Ausgestaltung unseres Irland-Schwerpunkts in Heft 2/2010, war aber auch darüber hinaus ein von uns gern angefragter Experte für die keltischen Musiktraditionen der Britischen Inseln. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit seiner Person findet sich in Heft 1/2017 des Irland Journals.
Steve Byrne
ALP BORA
18.3.1976, Istanbul, Türkei,
bis 10.3.2017,Wien, Österreich
Bekannt wurde Alp Bora in Wien als Sänger und Gitarrist der Band Nim Sofyan, eines Sextetts, das sich, laut Eigenwerbung auf „Turkish-Mediterranean World Music made in Vienna“ verstand. Auf ihrem ersten 2004 erschienenen Album setzte sich die Band aus Österreichern, Finnen und Portugiesen zusammen, wobei das türkische Element von Alp Bora beigefügt wurde. Der in Ankara und Bagdad aufgewachsene Diplomatensohn prägte mit seinem Gesang und seiner charismatischen Bühnenpräsenz wesentlich das Hörbild der Gruppe, die sich rasch einen guten Ruf in der Weltmusikszene erspielte. 2004 wurde die Band mit dem Austrian World Music Award prämiert und verband mit einem Repertoire, das sich auf Volksliedern aus Griechenland, der Türkei, des Balkans und der arabischen Welt stützte, ein vielfältig zusammengesetztes Publikum. Nach dem Album Agora war 2010 Schluss mit dem bunten Potpourri. Einige Musiker machten unter den Namen Black Market Tune weiter, Alp Bora betrieb den Istanbul Express und Soloprojekte, die ihn bis nach Asien führten. In der Szene war Bora wegen der dubiosen Entlohnung seiner Mitmusiker und seiner bestimmenden Art nicht unumstritten, trotzdem ist der Einschätzung einer Tageszeitung zu zustimmen, die anlässlich seines Todes titelte: „Eine Stimme, die jetzt nötig wäre, ist verklungen.“ Dass er die Weltmusikgemeinschaft zusammenführte und seine Stimme auch gegen die zunehmend diktatorischen Verhältnisse in der Türkei erhob, bleibt sein Verdienst. Bora starb im Schlaf an Herzversagen.
Harald Justin
KARL HODINA
7.6.1935, Wien, Österreich,
bis 24.3.2017,Wien, Österreich
Es ging schnell: Karl Hodina brach nach dem Besuch eines Fußballspiels zusammen und konnte nicht mehr reanimiert werden. Der 81-Jährige galt als Doyen des Wienerlieds und, so die Würdigung aus dem Rathaus anlässlich des 2015 an ihn verliehenen Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, als „künstlerisches Allroundgenie“, da er zudem als Maler des Phantastischen Realismus erfolgreich reüssierte. 1957 hatte er das Vienna modern Jazz Quartet gegründet, Rock-’n’-Roll-Anleihen genommen, um sich dann mit eigenen Texten und seinem Akkordeon dem Wienerlied zu widmen. 1972 gelang ihm mit „Herrgott aus Sta“ der künstlerische Durchbruch. Es heißt, er habe mit seiner Art das Wienerlied aus der weinseligen Weinerlichkeit hinüber in die Nähe von Blues und Bossa Nova gerettet, sein „I lassert Kirschen fia di wachsen“ funktionierte bestens mit der Begleitung des jazzig aufspielenden Joschi Schneeberger Sextetts, aber auch im Duo mit einem Kontragitarristen im Heurigen, wo er immer noch regelmäßig auftrat. „Der Heurige“, so der für seine markanten Sprüche bekannte Musiker, „ersetzt den Weg zum Psychiater.“ In einer alten TV-Dokumentation sieht man ihn vor dem Familiengrab stehen, sinnierend: „Das wird meine Heimstätte eines Tages.“ Dann, nach einer Pause: „Eh net schlecht.“ Lassen wir Kirschen für ihn wachsen.
Harald Justin
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