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Backkatalog   Ausgabe Nr. 2/2017   Internetartikel
 

Folker-Halbmast



Matthias Bardong * Foto: ARD

MATTHIAS BARDONG


3.3.1963, Wiesbaden,
bis 18.12.2016, Hürth


Alles, was Matthias anpackte, tat er mit Überzeugung, mit Tatkraft, mit Leidenschaft. Der Journalist und Musiker war jemand, der stets über den Tellerrand hinausblickte, er hatte immer das Ganze im Blick. Schon bald nach dem Studium der Musikwissenschaften in Mainz betätigte er sich als Programmgestalter beim damaligen Südwestfunk. Als ZDF-Redakteur war er für „Aktuelle Popmusik“ zuständig. In diese Dekade fiel auch die Mitherausgeberschaft des Nachschlagewerkes Lexikon des deutschen Schlagers. Als ihm die Gestaltung und Moderation der Sendereihe Klassik populär bei WDR 4 angeboten wurde, griff er beherzt zu. Kurz darauf übernahm er beim selben Sender zusätzlich das neu eingerichtete Format Chansons und Lieder-liches, das er mit großer Sachkenntnis und ausgesprochener Liebe zum Genre zu einer Kultsendung ausbaute. Neben seiner journalistischen Tätigkeit war er ein begeisterter Musiker, wobei es ihm seit frühester Jugend besonders die akustische Stahlsaitengitarre angetan hatte. Nach stilistischen Ausflügen in Jazz- und Bluesgefilde war er zuletzt zu einem kongenialen Partner von Black (Schobert & Black) herangereift – keineswegs nur instrumentaler Begleiter, sondern gleichberechtigter Bühnenpartner in Wort und Ton. Im vergangenen Sommer saß ich mit Matthias drei Tage lang auf der Kulturinsel Einsiedel, direkt an der polnischen Grenze, in der Jury für einen Musikwettbewerb. Selten habe ich inhaltliche Genauigkeit und geistreiche Albernheit so eng, so lebendig miteinander verknüpft erlebt. Den Koffer mit seiner geliebten Taylor-Gitarre ließ Matthias während der gesamten Zeit nicht etwa in seiner Unterkunft zurück – er stand stets direkt an seiner Seite. Als ich nach vielen Jahren die Jury der Liederbestenliste verließ und über einen Nachfolger nachdachte, fiel mir sofort Matthias ein. Natürlich übernahm er diese reizvolle Aufgabe. Dass ihm nur eine sehr kurze Zeitspanne blieb, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen, konnte er nicht ahnen. Ähnlich verhält es sich mit der künstlerischen Leitung des Liederfestes auf Burg Waldeck, die Matthias erst vor ein paar Monaten als Nachfolger von Jacky Jacobi-van Beek voller Elan und Ideenreichtum übernommen hatte. Zu Pfingsten wird es nun zum zweiten Mal in Folge ein Liederfest auf der Waldeck geben, dessen geistiger Vater nicht mehr unter uns weilt. Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben. Mach’s gut, Matthias.

Kai Engelke



Knut Kiesewetter * Foto: Tobias Greven

KNUT KIESEWETTER


13.9.1941, Stettin,
bis 28.12.2016 in Garding


Knut Kiesewetter kam in Stettin zur Welt, aber Nordfriesland war seine Heimat. Solche Spaltungen durchzogen sein Leben: Karriere machte er als Liedermacher, aber sein Herz gehörte dem Jazz. Er war ein nachdenklicher Mensch, der bekannt wurde mit eher schlichten und breitenwirksamen Texten. Dabei waren seine Interessen alles andere als provinziell – er war Posaunist, Sänger, Liedermacher, Jazzmusiker, Plattenproduzent, Universitätsprofessor und Autor. Als Musikstudent gründete er seine erste Band, hatte kleine Erfolge mit Schlagern wie „Nur eine kleine Träne von dir“. Später trat er mit einer Band namens Beatles, aber auch mit Jazzgrößen wie Chet Baker oder Dizzy Gillespie auf. Er produzierte die ersten Platten von Hannes Wader, entdeckte Fiede Kay und Volker Lechtenbrink und wurde im Folkboom der Siebzigerjahre selbst als Liedermacher bekannt. Von seinen gut fünfzig Alben sind wohl den meisten nur noch die Leeder vun mien Fresenhoff gegenwärtig, verfasst in seinem Reetdachhaus bei Bohmstedt in Nordfriesland. Daneben schrieb er politischere Texte, sang auch friesisch und kam zunehmend wieder zum Jazz. In den Achtzigerjahren zog er sich zurück, wohl auch, weil sein Augenlicht stark nachließ. Er gab sein Können an der Hamburger Musikhochschule an den Nachwuchs weiter und gründete die erste grüne Wählerinitiative in Nordfriesland mit. Das Land Schleswig-Holstein verlieh ihm 2012 für seine Verdienste um das Plattdeutsche den Verdienstorden. Seine Autobiografie Fresenhof – Ein Stück von mir erschien 2016. Die dazu geplante Lesereise muss leider ausfallen. Im Dezember ist Kiesewetter unerwartet im Alter von 75 Jahren gestorben.

Susanne Kalweit



EBERHARD „PADDY“ BORT * Foto: Allan Macmillan, Edinburgh Folk Club

EBERHARD „PADDY“ BORT


1.12.1954, Ilsfeld,
bis 17.2.2017, Edinburgh, Schottland


Sein Tod hat eine gewaltige Lücke in die Folkszene gerissen. Eberhard „Paddy“ Bort war langjähriger Förderer des Edinburgh Folk Club, des Wee Folk Club und des Phoenix-Irish-Pubs in Lauffen. Er war Teil meines persönlichen musikalischen und sozialen Umfelds seit ich achtzehn war und gab mir Schützenhilfe in den Anfängen meiner Laufbahn als Musiker. Als Deutscher kam er nach Schottland, um unsere kulturellen Schätze, die wir zu wenig beachtet haben, in ein helleres licht zu rücken. Paddy war ein erklärter Freund und Förderer alles Irischen und Schottischen, Hunderte von uns aus der Folkszene verdanken ihm Auftrittsmöglichkeiten in allen Phasen unserer jeweiligen Entwicklung und profitierten von seiner Energie und Begeisterung. Stundenlang besprach er das Thema meiner Magisterarbeit mit mir, das Phänomen, dass schottische und irische traditionelle Musik im deutschsprachigen Raum so beliebt ist. Pausenlos unterwegs zwischen seinem Büro an der Universität von Edinburgh, dem Royal-Oak-Pub und seiner Wohnung in der Nicolson Street, kam Paddy niemals zur Ruhe. Tagsüber war er ein angesehener Akademiker, der Hunderte Studenten nach Schottland brachte, um bei ihm zu lernen, wie man Politik auf kommunaler Ebene betreibt. Er arbeitete dabei mit der Jimmy Reid Foundation oder den Scottish Fabians zusammen und war ein Verfechter dieser Form der repräsentativen Demokratie. Von ihm stammen zahlreiche Werke über schottische und europäische Politik, die er selbst schrieb oder herausgab, und er war ein angesehener Experte auf diesem Gebiet. Sogar im schottischen Parlament wurden als Reaktion auf seinen Tod zwei Anträge zu seinem Gedenken eingereicht, die von mehr als fünfzig Parlamentariern aller Parteien unterstützt wurden. Selbst Nicola Sturgeon, Schottlands First-Ministerin hat öffentlich ihr Beileid bekundet. Der Verlust seiner Expertise ist an dem Punkt, an dem die europäische Geschichte aktuell steht, besonders tragisch. Im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre war Paddy zudem maßgeblich daran beteiligt, das Vermächtnis des schottischen Poeten, Folkloristen und Intellektuellen Hamish Henderson zu bewahren, unter anderem durch die Organisation des Carrying Stream Festivals oder sein Engagement für den Hamish Henderson Archive Trust. Zu meinen schönsten Erinnerungen gehören die Zeiten Ende der Neunziger, als im Royal Oak Theaterstücke aufgeführt wurden, wo sich Paddys große Liebe zur irischen Literatur offenbarte, insbesondere zu den Werken Flann O’Briens. Großartig war auch das Zusammensein mit ihm im Phoenix-Irish-Pub in Lauffen, wo er zu großer Form auflief, komplett entspannt und wirklich „daheim“. So vieles habe ich hier ausgelassen – Paddy hat so viel für uns alle getan, für Schottland, für Europa. Am traurigsten aber ist, dass wir ihm nicht mehr sagen konnten, wie dankbar wir ihm für alles sind.

Anm. d. Red.: Eberhard „Paddy“ Bort war langjähriger Autor des Folker und zeichnete unter anderem verantwortlich für die inhaltliche Ausgestaltung unseres Irland-Schwerpunkts in Heft 2/2010, war aber auch darüber hinaus ein von uns gern angefragter Experte für die keltischen Musiktraditionen der Britischen Inseln. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit seiner Person findet sich in Heft 1/2017 des Irland Journals.

Steve Byrne