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Folker-Halbmast
DOUDOU N’DIAYE ROSE
28.7.1930, Dakar, Senegal
bis 19.8.2015, Dakar, Senegal
Der Trommler Doudou N’Diaye Rose kam 1930 als Mamadou N’Diaye in Dakar in einer Griotfamilie zur Welt, in der Gesang, Musik und Poesie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ab dem Alter von sieben lernte der Junge die traditionellen Trommeln zu spielen. Aber sein erster Beruf war Schweißer, entsprechend des Zukunftsplans des Vaters für den Jungen, der auf Hochzeiten und Tauffesten spielte und auf dem Schulweg den Klängen der Trommeln folgte, um an den Feiern teilzunehmen. 1959 wurde Josephine Baker bei einem Besuch in Dakar auf den Trommler aufmerksam und sagte ihm eine große Zukunft als Schlagzeuger voraus. Am Tag der senegalesischen Unabhängigkeit, dem 4. April 1960, spielte er im Stadion von Dakar mit 110 Trommlern vor Präsident Léopold Sédar Senghor. Doudou N’Diaye Rose wurde Cheftrommler im nationalen Ballett des Landes. In Senegal war er ein lebendes Denkmal. Die UNESCO ernannte den Trommelmeister 2006 zum „lebendigen menschlichen Schatz“, weil er die traditionellen Rhythmen nicht nur meisterhaft beherrschte, sondern sie auch an die Jugend des Landes weitergab. Rose gründete eine Percussionschule in Dakar, erfand neue Formen seines Lieblingsinstruments, der Sabar-Trommel. Seine Band Drummers of West Africa bestand aus seinen Kindern und Enkeln und trat in Europa, Japan und den USA auf. Mit seinen Töchtern gründete er die weibliche Trommelband Rosettes. Seine internationale Karriere begann, als er fast sechzig war: 1986 trat er in Frankreich auf dem Festival Nancy Jazz Pulsations auf, danach arbeitete er mit Peter Gabriel, dem Bretonen Alan Stivell, Dizzy Gillespie, Miles Davis und den Rolling Stones.
Martina Zimmermann
MARIEM HASSAN
Mai 1958, Ued Tazua, Westsahara
bis 22.8.2015, Smara, Westsahara
Am 22. August starb die Diva der sahrauischen Musik, Mariem Hassan, im Alter von 57 Jahren in Smara in der Westsahara. Sie starb nach langer Krankheit an Krebs. Hassan wurde 1958 als drittes von zehn Kindern in der Westsahara geboren und begeisterte schon früh bei Festen und anderen Gelegenheiten mit ihrer Stimme. Mariem Hassan ist – wie die meisten Musiker der Westsahara – in der Klangwelt ihrer Kultur aufgewachsen. Deren musikalischen Techniken, ihre differenziert ausgearbeitete Musiktheorie und ihre musikalischen Traditionen werden mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Als Jugendliche sang sie auch bei Versammlungen der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario und später in der Flüchtlingszeltstadt Smara. Ihre Lieder begleiteten die dramatische Geschichte der sahrauischen Nomaden: Besatzung, Vertreibung und das Elend der Flüchtlingscamps. So wurde Mariem Hassan mit ihrer Gruppe Mártir Luali zur musikalischen Botschafterin und warb in vielen Ländern mit ihren Konzerten um internationale Solidarität für ihr Volk. Ihre Lieder erzählten Geschichten vom Alltag im Exil, von den Widersprüchen zwischen Tradition und Moderne, von der Identität ihres Volkes und der Sehnsucht nach Heimat. Harmonisch verweben sich in ihrem Gesang sahrauische Traditionen mit Anklängen aus Blues und Jazz. Mit ihrer ausdrucksvollen Stimme und den unnachahmlichen Gebärden, die zur Erzähltradition in Afrika gehören, faszinierte sie die Weltmusikszene. (Mehr über Mariem Hassan gibt es im Beitrag von Katrin Wilke zu ihr in Folker 6/2010.)
Suleman Taufiq
ALISTAIR „AL“ O’DONNELL
08.12.1943, Dublin, Irland,
bis 3.9.2015, in Dublin, Irland
Nur zwei LPs spielte er ein, 1972 und 1978, aber die reichten aus, um Al O’Donnell zu einer Legende zu machen. Er war einer der ersten, die irische traditionelle Lieder auf dem Banjo begleiteten, wobei er sich mit Banjomeistern wie Barney McKenna und Johnny Keenan jederzeit messen konnte – und sein Einfluss ist bei den jungen Bands noch heute hörbar. In seinen jungen Jahren zog es den in Dublin geborenen Sohn einer schottischen Mutter und eines northumbrischen Vaters nach London, wo er in den Folkclubs seine musikalischen Lehrjahre in engem Kontakt mit Größen wie Peggy Seeger, Martin Carthy und Ewan MacColl absolvierte. Nebenbei oder eigentlich hauptsächlich studierte er Kunst und Design, was für die Musik schicksalhaft wurde. Das irische Staatsfernsehen RTÉ heuerte ihn als Grafiker an, und dort blieb er dann, bis er 2003 in Pension ging. Seine grafischen Arbeiten waren jeden Abend auf RTÉ zu sehen, seine Musik war nicht mehr so oft zu hören. Er trat jedoch weiterhin in Folkclubs auf und half bei Gelegenheit auch gern aus, wenn irgendwo ein Kollege ausfiel – auf der Liste seiner „Vertretungsjobs“ stehen so illustre Bandnamen wie Sweeney’s Men und die Dubliners. Unvergesslich ist seine Version von „The Spanish Lady“, ein Lied, das durch ihn in den Kanon irischer Folksongs einging. Nach längerer Krankheit starb Al O’Donnell im September 2015 in Dublin an einer Lungenentzündung.
Gabriele Haefs
CHRISTOF STÄHLIN
18.6.1942, Rothenburg ob der Tauber,
bis 9.9.2015, Hechingen
Er war Schriftsteller, Liedermacher und Kabarettist, aber vor allem war Christof Stählin ein Dichter, ein Poet. Ein leiser Künstler, der stets den Blick auf das vermeintlich Unscheinbare lenkte, um das Wesentliche sichtbar zu machen. Wenn andere über die Liebe, das Gute, das Böse, die Hoffnung, den Schmerz sangen und inhaltlich nicht selten das gesamte Universum umarmten, dann beschränkte Stählin sich auf kleine Dinge, sei es ein Blatt, ein bestimmter Augenblick oder ein Fenster, denn er wusste: Im Detail ist der Bauplan des Ganzen ohnehin enthalten. Das Selbstverständliche zog er in Zweifel (wobei er sich übrigens auf Karl Valentin berief), um das Unerforschte kenntlich zu machen. Neben seinen feinsinnigen, oft auch skurrilen eigenen Liedern und Schriften beschäftigte Stählin sich intensiv mit dem schlesischen Dichter Johann Christian Günther (1695-1723), indem er dessen Gedichte vertonte und gemeinsam mit dem US-amerikanischen Trompetenvirtuosen Edward H. Tarr und dem Larynx-Mitbegründer Martin Bärenz auf zwei LPs veröffentlichte. Als Christof Stählin 2010 den Ehrenpreis des Preises der deutschen Schallplattenkritik zugesprochen bekam, bezeichnete ihn die Jury als „präzisen Beobachter und Wortmetz, Tondichter und Sänger“ sowie als „heimlichen Doyen der Waldeck-Lieder,macher?“. „Manche deutschen Wellen sind vorübergeschwappt, während Stählins leise gezupften, unaufdringlichen und dennoch schlagkräftigen Lieder unüberhörbar weiterklingen.“ Auf Burg Waldeck war er mit seiner Vihuela, einer melancholisch klingenden arabischen Gitarre, seit den ersten Festivals in den Sechzigerjahren bis zuletzt ein überaus gern gesehener Gast. Er orientierte sich niemals an kurzlebigen musikalischen Moden, vielmehr entsprang sein Denken und Handeln als Künstler musikhistorischen und philosophischen Erkenntnissen. „Je schärfer die Klinge, desto sanfter der Schnitt“, war ein griffiger Aphorismus von ihm. Und über sich selbst sagte er einmal: „Ich lebe in häufiger geistiger Abwesenheit, zugunsten von Zeit und Raum übergreifenden Denkfiguren.“ Gerne und überaus erfolgreich gab er sein Wissen an talentierte junge Liedermacher und Kabarettisten weiter. 1989 gründete Stählin die spätere Mainzer Akademie für Poesie und Musik, SAGO, aus der Künstlerpersönlichkeiten wie Judith Holofernes, Dota Kehr, Bodo Wartke, Danny Dziuk, Annett Kuhr, Eckart von Hirschhausen und viele weitere außergewöhnliche „Sagonauten“, wie sie genannt wurden, hervorgingen. Kürzlich dankten seine Schüler es ihm, indem sie ein Album herausbrachten, auf der sie Stählins Lieder interpretierten. Für seine Verdienste wurde Stählin mit viel Anerkennung bedacht: 1976 erhielt er den deutschen Kleinkunstpreis, 2000 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, und 2013 wurde ihm der Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz zum deutschen Kleinkunstpreis verliehen. Der Sprach- und Liedkünstler Christof Stählin, der in einem alten Stadtturm in Hechingen mit Blick auf die Schwäbische Alb lebte, wird nicht nur in Liedermacherkreisen unvergessen bleiben.
Kai Engelke
GUY BÉART
16.7.1930, Kairo, Ägypten,
bis 16.9.2015, Garches, Frankreich
In seinem Chanson „Les Temps Étranges“ beschrieb er, wie sich Menschen verändern, die radioaktivem Staub ausgesetzt waren. In „Alphabet“ ließ er die Erde gleich ganz untergehen. Dass technischer Fortschritt zivilisatorischer Rückschritt sein kann, wusste er gut, hatte er doch mehrere Jahre als Ingenieur gearbeitet, um nach dem Tod des Vaters Mutter und Schwester zu unterstützen. Doch seine große Leidenschaft gehörte seit seiner Kindheit im Libanon der Musik. Guy Béhart, wie er damals noch hieß, lernte Violine und Mandoline, und später schrieb er nach Feierabend erste Chansons. Nachdem ihn Jacques Canetti, der Förderer von Brel und Brassens, in sein Kleinkunsttheater geholt hatte, konnte er das Chanson zum Beruf machen und gut von ihm leben. Béart erfreute sich am Klang feiner Stereoanlagen wie am Anblick der braungebrannten Mädchen von Saint-Tropez. Die kamen natürlich in seinen Liedern vor, doch öfter als viele Kollegen beschrieb er die Macht von Industrie und Medien. Allerdings stets allgemein genug, um Zensurprobleme zu vermeiden. Verboten wurde (zeitweilig) nur ein Béart-Chanson: jenes, dessen Text aus den Vornamen aller bisherigen Begleiter von Brigitte Bardot besteht. Dass sein hierzulande bekanntestes Lied Juliette Grécos Coverversion von „Il N’Y A Plus D’Après“ ist, ein harmlos-melancholischer Abgesang auf die gute alte Zeit am Seineufer, gehört zu den Ungerechtigkeiten deutscher Chansonrezeption.
Stephan Göritz
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