Autoreninfo:
Dr. Lutz Kirchenwitz, geboren 1945. Studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Kulturwissenschaften, arbeitete in verschiedenen kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen, ehrenamtlich im Oktoberklub und beim Festival des politischen Liedes, war 1991 bis 2018 Vorsitzender des Vereins Lied und soziale Bewegungen und 2000 bis 2012 Leiter des Festivals Musik und Politik.
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Den Verfallserscheinungen der Zeit widerstehenGedanken über ein Festival
Das zwanzigste Festival Musik und Politik war ein großer Erfolg: Drei Tage Volksbühne mit mehr als fünfzehn kleinen und großen Konzerten, über hundert Mitwirkenden und viertausend Besuchern. La Hengst, Wecker, Wenzel und andere, ein Gundermann-Abend, eine Arbeiterlied-Ausstellung. Manchmal hörte man: Ach, das Festival des politischen Liedes gibt es noch?
Text: Dr. Lutz Kirchenwitz
Wo das Festival des politischen Liedes 1973 bis 1990 sein Zuhause hatte, fand nun wieder politische Musik statt. Verschiedene Umstände wie die Übergangssituation der Volksbühne nach dem jähen Abgang des letzten Intendanten, der Gundermann-Hype und die Unterstützung durch den Kultursenator machten das möglich. Man wollte es kaum glauben, dass das Festival all die Jahre in der kleinen Prenzlauer Berger Wabe stattgefunden hatte. War nicht gerade noch nach seiner Existenzberechtigung gefragt worden?
Aber Vorsicht vor voreiligen Schlussfolgerungen! Der Weg dahin war steinig, oft frustrierend. Jedes Jahr wurde neu überlegt, ob es im Folgejahr wieder ein Festival geben solle, ob vier, ob drei, ob zwei Tage lang oder nur einen Workshop. Förderanträge wurden abgelehnt, Projekte scheiterten, und manchmal war es ein Wunder, dass überhaupt etwas stattfand.
Das Festival Musik und Politik ist nicht ohne seinen Vorgänger, das Festival des politischen Liedes (1970-1990), denkbar. Zum neuen Festival ab dem Jahr 2000 wurden daher auch Künstler eingeladen, die bereits früher dabei gewesen waren: Billy Bragg, Franz Josef Degenhardt, Quilapayún, Hans-Eckardt Wenzel und andere. 2001 kam León Gieco aus Argentinien, wollte etwas von dem zurückgeben, was er bei seinen DDR-Auftritten in den Achtzigerjahren empfangen hatte, und wünschte, dass das Berliner Festival weitermacht. „Berlin könnte ein guter Ort sein, um die Realität der Welt mit den Mitteln des Liedes zu zeigen.“
Ein wichtiges Anliegen des Festivals ist bis heute die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Vor allem geht es um die Geschichte des Festivals des politischen Liedes und der Liedermacher- und Singebewegung in der DDR, die weder „weichgespült“, noch als „Gruselmärchen“ dargestellt werden soll. Verschiedene Zeitabschnitte und Szenen wurden untersucht, etwa die Hootenanny-Phase, die Folkszene oder Programme wie „Letztes aus der DaDaeR“. All das ist archiviert und kann jederzeit abgerufen werden.
Ziel des Festivals ist es aber auch, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen, neue Produktionen vorzustellen und junge Künstler zu entdecken. Es gibt sie, aber die Decke ist dünn und mit unbekannten Künstlern füllt man keine großen Säle. Man braucht also Zugpferde. Konstantin Wecker ist so eines, und er hat sich seit 2004 mehrfach zur Verfügung gestellt, um junge Künstler vorzustellen.
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Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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