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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2016   Internetartikel
Gerald Grünklee * Foto: Michael Bahlo, Taz

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit

Gastspiel





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Autoreninfo:


Gerald Grüneklee ist in Göttingen aufgewachsen, politisch sozialisiert seit Anfang der 1980er-Jahre, von etlichen im Roten Buchladen erworbenen Büchern nachhaltig geprägt; später selbst langjährig Buchhändler und Versandbuchhändler. Kommentiert auf ziegelbrenner.com immer wieder auch die Entwicklung der Buch- und Lesekultur.


Who the fuck is Amazon?

Zur Verteidigung des Buches und des Buchhandels

Während der Leipziger Buchmesse flaniere ich durch die Stadt, entdecke einen Buchladen. Ich gehe hinein, stöbere, lasse mich von der guten Buchauswahl faszinieren, kaufe jedoch nichts. Als ich gehe, ruft die Buchhändlerin mir „Und jetzt bei Amazon kaufen, was?“ hinterher. Der Peitschenhieb sitzt, doch trifft er, für die Buchhändlerin unvermutet, auf einen ehemaligen Kollegen und Verbündeten. Als Buchhändler bekam ich selbst vor Jahren die Amazon-Einschläge zu spüren, kaufte bis heute dort keinen einzigen Neuartikel, auch kein Buch. Die Episode illustriert, wie depressiv die Stimmung in der Branche ist.

Text: Gerald Grüneklee

Wer ist eigentlich dieser Amazon? Jeff Bezos, Gründer des Internetkaufhauses, setzte von Beginn an alles darauf, den Buchhandel nach seinem Verständnis zu „revolutionieren“. Er trachtet danach, die gesamte Verwertungskette zu dominieren – mittels Dienstleistungen für Autorinnen und Autoren, Druck von Manuskripten, Verkauf unter Umgehung des klassischen Buchhandels, Handel mit gebrauchten Büchern. Aufgrund unzähliger Daten kennt Amazon die Kundinnen und Kunden wie niemand sonst in der Branche. Bezos’ Geschäftsgebaren ist unbarmherzig – bis heute wird man über die Homepage relentless.com zu Amazon umgeleitet. „Relentless“, das englische Wort für eben „erbarmungslos, unbarmherzig“. Bezos sieht das als Kompliment.
Bei, sagen wir, Waschmaschinen könnte man sagen: Das ist eben so. Amazon ist der bessere Verkäufer – billiger, schneller, was auch immer, da braucht es eben keine Ladengeschäfte mehr. Bei Büchern handelt es sich jedoch um kulturelle Güter. Sicher, im Kapitalismus, einer Gesellschaftsform, die alles ihrer eigenen Logik unterwirft und aus jedem Bedürfnis eine Ware macht, ist grundsätzlich erst mal keine Exit-Option vorgesehen. Darin zeigt sich die allzu oft geflissentlich übersehene Totalität dieses Systems. So sind auch Bücher auf dieser Ebene erst einmal Produkt, aber eben nicht nur. Im Gegensatz zur Waschmaschine tragen sie auch einen Inhalt in sich, von dem sie selbst im Kapitalismus nicht gänzlich zu entkoppeln sind. Vielen Menschen ist dies irgendwie bewusst, weshalb sie sich schwer damit tun, Bücher ebenso umstandslos zu entsorgen wie alte Haushaltsgeräte. Amazon zerstört nicht einfach eine Handelsbranche. Wenn Buchläden und Verlage eingehen und nur noch Amazon-algorithmenkonforme Bücher produziert werden, wird klar: Amazon zerstört Kultur. Unbarmherzig.

... mehr im Heft.

Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.