www.lalutta.org
|
Autoreninfo:
Antonino D’Ambrosio
Antonino D’Ambrosio ist Filmemacher, Autor und bildender Künstler. Er ist Gründer der gemeinnützigen Dokumentarfilmfirma La Lutta NMC. Sein jüngster Film We’re Still Here: Johnny Cash’s Bitter Tears Revisited basiert auf seinem Buch A Heartbeat and a Guitar: Johnny Cash and the Making of Bitter Tears.
|
|
Lieder für die EntrechtetenDas Vermächtnis Peter La Farges
Drei Jugendliche beobachten heimlich, wie ein Mann sich einem Haus nähert und es in Brand setzt. Das Nummernschild am Auto des Mannes weist ihn als Vertreter der US-Regierung aus. Die Jugendlichen gehören den Seneca an, einem Irokesenstamm. Szenen wie diese wiederholten sich 1961 mehrmals, als die Regierung die Seneca im Norden von New York vertrieb. Ihre Häuser wurden niedergebrannt, ihr Land wurde überschwemmt. Auf Anordnung von Präsident John F. Kennedy, um Platz für den Kinzua-Staudamm zu schaffen. Kennedy brach damit einen von George Washington unterzeichneten Vertrag mit den Seneca.
Text: Antonino D’Ambrosio
Vertragsverletzungen gehören in der Geschichte des Verhältnisses zwischen den Ureinwohnern und den Regierungen Nordamerikas zum Alltag. John Trudell, der dem Stamm der Santee Sioux angehörende Musiker und Mitbegründer der indianischen Organisation American Indian Movement (AIM) sagt: „Wenn du eine von Gesetzen getragene Nation bist, dann musst du sie respektieren. Wenn du Verträge nicht einhältst, kannst du keine Nation der Gesetze sein.“ Das Gesetz. Das Land. Die großen amerikanischen Imperative.
Das Land der Entrechteten. Beschlagnahmt. Ausgebeutet. Verwüstet. Das ist die Geschichte der Welt. Doch sie wird verschleiert. An ihre Stelle tritt ein Märchen. Das erste Siegel der Massachusetts Bay Colony, Vorläufer des heutigen US-Bundesstaates Massachusetts, zeigte einen nackten Indianer, der einen Speer nach unten hält als Zeichen des Friedens. In einer Sprechblase im Mund stand „Komm und hilf uns“. Was für ein Mythos, der die Gräueltaten der Vergangenheit als humanistische Einmischung erscheinen lässt, obwohl sie in Wirklichkeit einen blindwütigen Vernichtungsfeldzug darstellten. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, brauchen wir Menschen, die die Geschichte der Entrechteten erzählen. Ein solcher Mensch war Peter La Farge, dessen Todestag sich im vergangenen Oktober zum fünfzigsten Mal jährte. Er war der Sohn des Autors und Pulitzer-Preisträgers Oliver La Farge. Peter La Farges Stimme brachte die Lage der Ureinwohner in die Folkbewegung der Sechzigerjahre ein.
Der Koreakriegsveteran, Stückeschreiber und Rodeoreiter ist wohl am ehesten bekannt für „The Ballad Of Ira Hayes“. Der Song erzählt die herzzerreißende Geschichte vom Missbrauch der Indianer am Beispiel des Lebens und Sterbens des Fallschirmjägers Ira Hayes vom Stamm der Pima. Doch seine beste Komposition ist das Lied, das die Landnahme beschreibt, durch die die Seneca obdach- und wurzellos wurden. In „As Long As The Grass Shall Grow“ beschreibt La Farge, dass Washington versprochen hatte, das Land würde immer den Seneca gehören, „so lange das Gras wächst“. La Farges Werk ist ein Lehrstück, das die Brücke schlägt zu aktuellen Aktionen der Ureinwohner. Wie dem AIM-Medienprojekt, das sich um den Schutz von Vertragsrechten kümmert und Indianerland gegen die Ausbeutung natürlicher Ressourcen verteidigt. Dazu gehört auch der Kampf für die Freilassung von Leonard Peltier, einem Angehörigen der Anishinabe-Lakota und AIM-Führer, der nach einem umstrittenen Verfahren wegen der Ermordung zweier FBI-Agenten im Pine-Ridge-Reservat 1975 zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt wurde.
(Übersetzung: Michael Kleff)
... mehr im Heft.
Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
|