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Autoreninfo:
Karl Bruckmaier
ist seit 1978 in Sachen ungewöhnlicher Musik auf Sendung
(regelmäßig im Nachtmix auf Bayern 2) und hat 2014 bei Murmann das Buch The Story
of Pop veröffentlicht.
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Ich will halten deine HandPlädoyer für einen Begriffs- und Kulturwandel im Folk
„This machine kills fascists.“ Was da einst auf Woody Guthries Gitarre zu lesen war – 1943, als der Krieg gegen Nazideutschland und gegen Japan gerade verloren und jedes Wort der Aufmunterung, jede Äußerung eines patriotischen wie klassenbewussten Durchhaltewillens erlaubt schien – steht bis zum heutigen Tag exemplarisch für die einerseits großen Hoffnungen, die in politisch gemeinte Musik gesetzt werden, wie auch für das große Selbstüberschätzungspotenzial, das dieser Musik und dem Bewusstsein ihrer Protagonisten oft innewohnt. Selbst hänge ich am Montag, Mittwoch und Freitag der einen Position an, dienstags und donnerstags der anderen und am Wochenende nehme ich mir frei und behaupte, dass Popmusik – und zu Pop zählt für mich jegliche Form von individueller musikalischer Äußerung, die sich auf US-amerikanische Hybridbildung von industriell produzierter volkstümlicher Musik zurückführen lässt – aus sich selbst heraus so politisch wirkmächtig sein kann, dass keine totalitäre Ideologie sich ihrer auf Dauer bemächtigen könnte. Und dass sie deshalb auch nicht politisch explizit in ihren Texten sein muss, solange die Musik – ihre Haltung, ihr Hintergrund, ihr Rhythmus, ihr Gestus – selbst explizit ist.
Ein einfaches Beispiel: Stellen wir uns vor, eine junge indische Frau stellt sich an einem beliebigen Sommerabend des Hier und Heute in eine Parkanlage ihrer Heimatstadt und singt lauthals „I Want To Hold Your Hand“ von den Beatles, bei uns ein Beatmusik-Oldie ohne jedes Protestpotenzial. Wir vermögen uns gar nicht vorzustellen, was ihr alles zustoßen würde – eine derartige gleichzeitige Verletzung aller denkbaren gesellschaftlichen Normen könnte dagegen keinesfalls ausgelöst werden, sänge sie „Talking Hitler’s Head Off Blues“, um bei Woodys Gitarre zu bleiben.
... mehr im Heft.
Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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