Liebe Leserinnen und Leser,
Sommerzeit ist Lektürezeit. Gerade amüsiere ich mich mit dem durchgeknallten A&R-Manager Steven Stelfox aus John Nivens Roman Kill ’em All.
Die bissige Satire ist nichts für zarte Gemüter und leuchtet das Musikbusiness mit all seinen Schattenseiten grell aus: Koks,
Geldgier, Geil- und Dumpfheit. Parallel blättere ich in Nivens Erstlingswerk Music from Big Pink. Der Autor verlegt die
Szenerie nach Woodstock, wo sich diverse Musiker um den in der Nähe lebenden Bob Dylan gruppieren. Es entsteht The Band! Stilistisch
ist Nivens Debüt unbeholfener, aber es steckt voller Musikzitate aus den Endsechzigern und eignet sich wunderbar zum akustischen
Rekapitulieren: Levon Helms handfestes Folkwerk Dirt Farmer (2007) oder Bob Dylans sprödes Album John Wesley Harding (1967) mit
Textzeilen wie „I pity the poor immigrant who wishes he would’ve stayed home“.
„Jeder zieht jeden über den Tisch“, kommentiert John Niven in seiner Nachschau lapidar die Musikindustrie, und Berthold Seliger belegt dies in seinem aktuellen Buch
Vom Imperiumgeschäft: Konzerte – Festivals – Streaming – Soziales. Wie Großkonzerne die kulturelle
Vielfalt zerstören (Edition Tiamat, 2019). Schon Das Geschäft mit der Musik – ein Insiderbericht (Edition Tiamat, 2013)
las sich wie ein Krimi, trotz der nüchternen Akkumulation von endlosen Zahlen und Fakten. Seliger schließt an, und weiter geht’s mit
den Machenschaften der drei Großkonzerne, die das weltweite Live-Geschäft |
krakenförmig einkreisen: AEG, CTS Eventim und Live Nation.
Das Imperium schlägt zu und verschlingt seine Kinder. Dabei verweist Seliger – wie Niven in seinen Romanen – auf die Parallelen zwischen
der Musikindustrie und dem Drogenhandel: Bei beiden heiligt der Zweck die Mittel. Die sind auch illegal recht.
Wie anheimelnd wirken da unsere Folker-Kulissen, zum Beispiel in Bremen, bei einer Irish Session (S. 56-58).
Da blinkt die Gemütlichkeit durch die Butzenscheiben eines Gasthauses, während virtuos beschwingte Fiddletunes erklingen. Der Multiinstrumentalist
Albin Brun begibt sich mit seinem Schwyzerörgeli ins schnuckelige Altdorf (Kanton Uri, Schweiz) zum diesjährigen Alpentöne-Festival (S. 38-40).
Und die vier Jungs von Bukahara haben sowieso nur den Weltfrieden im Sinn (S. 26-29). Was sonst?
Entspannte Lektüre
Cecilia Aguirre |