Dieses Leben verdient, verfilmt zu werden. Als Idee ist das nicht ganz neu, denn mit The Ballad of Shirley Collins wartet eine Art Biopic auf seine baldige Veröffentlichung. Nein, dieses Leben mit grandiosen Höhen und tiefsten Tiefen, mit einer Souveränität im Alter und einem richtigen Wunder, das wäre schon was für die ganz große Leinwand. Und wer würde sie dann spielen dürfen, Shirley Collins, die große Dame der englischen Balladen? Vorerst noch spielt Shirley Collins sich selbst und überrascht die Fachwelt tatsächlich mit dem ersten Album nach etlichen Dekaden.

Text: Mike Kamp

Shirley Collins ist zumindest für langjährige Freunde dieser Zeitschrift keine Unbekannte. Im Folker 4/2006 konzentrierte sich Christoph Wagner unter der Überschrift „Abenteuer einer Liedersammlerin“ anlässlich ihrer Teilbiografie America Over the Water auf ihre frühen Jahre mit der Feldforschungsarbeit an der Seite von Alan Lomax. Richtig fesselnd jedoch ist der Vorspann: „Während sie nach einer Antwort suchte, belegte sich ihre Stimme, und dann brach sie in leises Schluchzen aus. Das war mir bei einem Interview noch nicht vorgekommen. Das Aufnahmegerät wurde abgeschaltet, um ein Taschentuch zu finden, damit sich die freundliche ältere Lady die Tränen abwischen konnte. Offensichtlich hatte die Frage einen wunden Punkt berührt. Was denn der Grund dafür gewesen sei, wollte ich wissen, dass sie in den Siebzigerjahren mit dem Singen aufgehört hatte. ‚Das Problem ist nicht physischer, sondern rein psychologischer Naturʻ, erklärte Shirley Collins, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. ‚Ich war damals psychisch in einer so desolaten Verfassung, dass ich meine Singstimme verlor. Aus! Weg! Ich konnte nicht mehr singen. Was immer ich auch versuchte, es ging nicht mehr – bis heute.ʻ“ Mittlerweile ist bekannt, dass es sich um das medizinische Phänomen der Dysfonie handelte, die körperliche oder psychische Ursachen haben kann. Linda Thompson litt an dem gleichen Symptom, und beide Frauen gingen zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung durch eine besonders schmutzige Scheidung. Da möchte man die an dem Problem beteiligten Herren doch gerne fragen, ob das denn alles wirklich so sein musste. Oder lieber doch nicht, denn das berührt zutiefst persönliche Dinge. Tatsache ist, dass Shirley Collins im Nachhinein stinksauer auf sich selber war. In einem Interview mit dem englischen Guardian 2008 sagte sie: „Ich litt an gebrochenem Herzen, aber ich hätte stattdessen wütend sein müssen. Mit Wut wäre alles okay gewesen.“ Aber sie war leider nicht ungehalten und ihr Gesang verstummte, erstmals 1978 und dann endgültig 1982.

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