Albumtipps:
Tessema Eshete, Éthiopiques 27: Azmari Tessema Eshete (Do-CD; Buda Musique/Membran, 2013)
Krar Collective, Ethiopia Super Krar (Riverboat, 2012)
Asnakech Worku & Alemu Aga, Ende Jerusalem – Traditional Music From Ethiopia (Acoustic Music, 1996)
Alemayehu Fantaye & Yohannes Afework, Traditionelle Musik aus Äthiopien (Acoustic Music, 1994)
Aster Aweke, Kabu (Columbia/Sony, 1991)
Mahmoud Ahmed, Erè Mèla Mèla (Kaifa Records, 1975; Wieder-VÖ: Buda Musique, 1999)
Mulatu Astake, Ethio Jazz (Amha Records, 1974)
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Äthiopiens TroubadoureDie AzmariTraditionelle und moderne Volksmusik
Äthiopische Musik klingt anders, als wir uns normalerweise afrikanische Musik vorstellen. Das größte Land am Horn von Afrika hat eine sehr spezielle und einzigartige Geschichte, die bis heute die Kultur und natürlich auch die Musik des Landes prägt. Doch warum hat sich in Äthiopien – anders als in den meisten afrikanischen Ländern – eine eigene, vom Westen kaum beeinflusste Musikkultur erhalten können?
Text: Pit Budde
Die Antwort ist einfach und vielschichtig zugleich und beginnt vor dreitausend Jahren, als die Königin von Saba über Teile des heutigen Jemen, des heutigen Eritrea und Äthiopien beiderseits des Roten Meeres herrschte. Ihr gemeinsamer Sohn mit König Salomo aus Jerusalem, Menelik I., wurde der erste Herrscher des antiken Reiches von Axum. Die Äthiopier blicken also auf eine lange Geschichte als Kaiserreich zurück, die erst 1974 mit dem Sturz Haile Selassies endete. Dazwischen lagen die Christianisierung des Landes im vierten Jahrhundert sowie bald darauf Jahrhunderte der Isolation durch den erstarkenden Islam, der sich in fast allen Nachbarländern durchsetzte und Äthiopien für das europäische Mittelalter in den Mythos eines christlichen Reiches am Ende der Welt verwandelte. Die äthiopische Musik bezieht sich auf einen Heiligen aus dem Mittelalter, Yared, der die Grundlagen der noch heute praktizierten kirchlichen Gesänge, aber auch der weltlichen Musik der Hochlandvölker Äthiopiens schuf. Die in der traditionellen sakralen und weltlichen Musik genutzten Musikinstrumente stammen aus diesen alten Zeiten und haben sich über viele Jahrhunderte kaum verändert.
Besonders ist außerdem, dass Äthiopien niemals kolonisiert wurde. Kaiser Menelik II. besiegte das Kolonialheer der Italiener 1896 in der Schlacht bei Adwa und ermöglichte Äthiopien als einzigem Land des Kontinents die Unabhängigkeit. Auch deshalb sind die Einflüsse westlicher Musik dort viel geringer als in den meisten Regionen Afrikas, und es hat sich eine einzigartige traditionelle Musik erhalten können.
Die typische Gestalt des traditionellen Musikers in Äthiopien wird Azmari genannt. Oft mit den Minnesängern und Troubadouren des europäischen Mittelalters verglichen, zogen sie von Ort zu Ort, spielten zum Tanz auf, sangen über die Geschichte und Schönheit ihrer Heimat, verbreiteten Neuigkeiten und Gerüchte in ihren Liedern, besangen die Helden und kritisierten mit doppeldeutigen Texten die Herrschenden. Sie galten als Meister der Stegreifdichtung, verfügten über ein großes Repertoire an Reimen und Bildern, mit denen sie die Schönheit der Frauen oder die Großzügigkeit der Männer besangen. Ähnlich wie die Musiker in der europäischen Vergangenheit galten sie als schlecht an- und dennoch gern gesehene Außenseiter der Gesellschaft. Die Azmari haben sogar eine eigene Sprache entwickelt, mit der nur sie sich verständigen. „Einmal Azmari, immer Azmari“, heißt es manchmal noch heute. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es undenkbar, dass ein – wenn auch weltberühmter und vom Volk verehrter – Musiker oder Sänger eine Frau aus gutem Hause heiratete. Trotzdem arbeiteten in den Zeiten des äthiopischen Kaiserreichs besonders fähige Musiker und Musikerinnen am Hof der Herrscher und Fürsten und entwickelten dort eine verfeinerte, fast schon höfische Musik.
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Äthiopische Kastenleier Krar mit Stimmstäben, Linden-Museum Stuttgart * Foto: Karl Heinrich, Wikipedia |
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