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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2016   Internetartikel
»Ich habe immer gerne experimentiert und wollte auf keinen Fall diesem herkömmlichen Akkordeonimage entsprechen.«
Lydie Auvray * Foto: Volker Neumann

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Musetteries
(Westpark, 2015)

Regards
(Westpark, 2006)

Triangle
(Pläne/Aris, 2001)

Bonjour Soleil
(u. a. mit Hubert von Goisern, Gerd Köster; BMG Ariola, 1997)

Tango Terrible
(BMG Ariola, 1994)

Paradiso
(Pläne, 1983)

Premiere
(Pläne, 1981)


Cover Musetteries


„Akkordeon kann so cool sein!“

Lydie Auvray

Musette jenseits von Klischees

Deutschlands prominenteste Akkordeonspielerin kommt aus der Normandie im Norden Frankreichs. Sie hat Liedermacher wie Klaus Hoffmann, Hannes Wader und Reinhard Mey begleitet, aber seit drei Jahrzehnten widmet sie sich überwiegend eigenen Projekten. In ihrer Wahlheimat hat sie nicht nur das Knopfakkordeon bekannt gemacht, sondern maßgeblich dazu beigetragen, das Instrument an sich von seinem verstaubten Image zu befreien.

Text: Wolfgang König

Auf die Frage, warum sie sich ausgerechnet für das Akkordeon entschied, meint Lydie Auvray lächelnd: „Das erzähle ich auf meiner neuen CD in dem Lied ‚Pour Toiʻ. Mein Vater hat mich dazu gebracht. Er stammte aus kleinen Verhältnissen, musste mit elf Jahren schon arbeiten. Mein Vater hätte so gerne Musik gemacht, sein Traum war, Trompete zu spielen. Aber für ein Instrument und Unterricht war kein Geld da. Er hat sich dann hochgearbeitet, betrieb seine eigene Karosseriewerkstatt, und als meine Schwester und ich so sieben, acht Jahre alt waren, fragte er uns, ob wir künstlerisch etwas machen wollten. Ich fing mit Ballett an, aber das war sehr elitär; ich fühlte mich da nicht wohl und hörte nach einem Jahr auf. Meine Schwester hatte inzwischen begonnen, Akkordeonunterricht zu nehmen, und das wollte ich unbedingt auch. Die Musikschule war großartig. Ich lernte nicht nur die Musettetradition und das Notenlesen, wir spielten auch fast jeden Sonntag irgendwo in einem der Dörfer in der Region, richtige kleine Shows mit Kostümen, Tanz, Gesang und so weiter. Das war meine Welt, und das verdanke ich meinem Vater.“
Das gängige Akkordeon in Frankreich war und ist das Knopfakkordeon, im Unterschied zu Deutschland, wo die pianoartige Variante dominiert. Als Lydie Auvray vierzehn wurde, war ihr Instrument für sie allerdings erst einmal out, denn der Coolnessfaktor ließ erheblich zu wünschen übrig. Nicht zuletzt, weil die Akkordeonisten der damaligen Zeit überwiegend billige Unterhaltungsmusik – sie nennt es „Tour-de-France-Musik“ – machten, der Auvray überhaupt nichts abgewinnen konnte. Sie versuchte sich auf der Gitarre, legte aber das Akkordeon nie ganz zur Seite, sondern spielte es ab und zu für ihren Vater. Das änderte sich, als sie eines Tages im Foyer des Theaters ihrer Heimatstadt Caen im Departement Calvados zwei junge Musiker sah, die auf Gitarre und Akkordeon Blues spielten. „Ich war völlig verblüfft, denn damals, in den frühen Siebzigern, kannten wir weder Cajun und Zydeco noch Forró oder argentinischen Tango. Alles, was ich bis dahin auf dem Akkordeon gehört hatte, waren Musette und Chanson. Als ich diese beiden Jungs hörte, dachte ich mir: Wow, Akkordeon kann so cool sein!“ Von da an war es wieder ihr Instrument.
Der eigentliche musikalische Durchbruch aber kam erst, nachdem sie Frankreich verlassen hatte. In der Schule hatte sie Deutsch gelernt und über den Jugendaustausch mehrmals das Nachbarland besucht. Sie verliebte sich in den Liedermacher Jürgen Slopianka aus der Lüneburger Heide, und nach ihrem Abitur gingen sie Mitte der Siebzigerjahre zusammen nach Westberlin. Dort jobbte sie in der Philharmonie und als Erzieherin und begann gleichzeitig ihre musikalische Laufbahn. Sie begleitete zunächst ihren Mann, und so wurden viele Musiker in der eingemauerten Stadt auf sie aufmerksam. „Die hatten noch nie ein Knopfakkordeon gesehen“, meint Lydie Auvray lachend, „und Musette kannten sie bestenfalls aus der Titelmusik der Kriminalfilme über Kommissar Maigret. Viele wollten mit mir auftreten, und ich wurde sogar für Studioproduktionen gebucht. Ich bemerkte das gar nicht so, aber Jahre später sagte mir Schobert von Schobert & Black, dass ich in Berlin eine echte Sensation war und dass sie alle kamen, um diese Französin mit dem exotischen Knopfakkordeon zu sehen.“

... mehr im Heft.