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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2018   Internetartikel
»Wir wollen diese Musik aus ihrer ländlichen Umgebung herausholen und sie gerade auch jüngeren Leuten zugänglich machen.«
Rafa Pino und Edward Ramírez

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

El Tuyero Ilustrado, El Tuyero Ilustrado
(Eigenverlag, 2016)

Víctor Morles feat. Rafa Pino, Natural
(Centro Nacional del Disco 2016)

Edward Ramírez, Cu4tro, Maraca Y Buche
(Eigenverlag 2014)

C4trío, Entre Manos
(Guataca 2009)


Weitere Albumtipps:
Bacalao Men, El Nuevo Bugalú
(Guacamaya Records, 2005)

Simón Díaz, Mis Canciones/My Songs
(World Village, 2005)

Los Amigos Invisibles, El Paradise
(Gozadera Records, 2017)

Los Crema Paraíso, De Película
(Cutupra, 2015)


Cover  El Tuyero Ilustrado


Venezolanischer Joropo mit Doppelherzblut

El Tuyero Ilustrado

Tanzmusik für Verliebte und Sozialkritiker

Die vielfältige Musikkultur Venezuelas ist medial nicht besonders präsent. Zwar tat der pfiffige Soundscout David Byrne schon Mitte der Neunzigerjahre unter anderem die Alternative-Latin-Funk-Band Los Amigos Invisibles aus Caracas für sein New Yorker Label Luaka Bop auf. Doch wer weiß ansonsten auf Anhieb, dass Superstar Oscar D’León aus dieser Salsa-Nation kommt oder der Gipsy-Kings-Gassenhauer „Bamboléo“ auf den populären Song „Caballo Viejo“ von Simón Díaz zurückgeht, der eine nationale Ikone Venezuelas ist? Den Eindruck, dass Venezuela etwas im Windschatten des Nachbarn Kolumbien schlummert, strafen viele kreative Musiker vor Ort und in der Diaspora Lügen, etwa das Latin-Grammy-nominierte Duo El Tuyero Ilustrado, das ebenfalls aus Caracas kommt, der kulturellen Schaltzentrale des Landes. In Konzert und Gespräch öffnen Rafael Pino und Edward Ramírez aufs Neue die Ohren für das musikalisch reiche Venezuela.

Text: Katrin Wilke

Die beiden sympathisch unglamourösen Musiker sehen ihren eigentlichen Triumph allein darin, zur von Stars und Sternchen funkelnden Gala vergangenen November in Las Vegas eingeladen worden zu sein. Für sie ist es ein wichtiges Zeichen größerer Beachtung der venezolanischen Musikszene. Allemal bemerkenswert, dass das Konzept, das auf dem wenig bekannten Musik- und Tanzstil Joropo Tuyero fußt, überhaupt im großspurig-kommerziellen Latin-Grammy-Orbit landete und ihr selbst produziertes und veröffentlichtes Debüt in der Kategorie „Bestes Folkalbum“ nominiert war. Auch im Gewinneralbum 2017 des seit 2000 verliehenen Preises für Populärmusik der spanisch- und portugiesischsprachigen Welt steckt etwas vom Geist Venezuelas. Auf Musas singt die Mexikanerin Natalia Lafourcade die „Tonada De Luna Llena“ von Simón Díaz. Der 2014 verstorbene, über die Musik hinaus aktive Künstler komponierte und sang auch Joropos Tuyeros wie „Yo Tengo Mi Turpial“.
Ramírez und Pino, Anfang dreißig und in Caracas geboren, fanden 2013 durch die Liebe zu jenem Joropostil zusammen. „Wir hatten das Gefühl, dass jetzt der Zeitpunkt ist, dieser Musik etwas aus unserer Perspektive, unserer Vision heraus beizusteuern, als Musiker aus dem städtischen Kontext daraus ein eigenes Projekt, unseren Diskurs und Code zu entwickeln. Wir wollen diese Musik aus ihrer ländlichen Umgebung herausholen und sie gerade auch jüngeren Leuten, die sonst eher Rock oder Reggaeton hören, zugänglich machen.“
Der in den namensgebenden Flusstälern des Tuy sowie unter anderem auch in der Provinz der Hauptstadt verortete Joropo Tuyero ist eine von vielen urvenezolanischen Joropovarianten. Den weltweit geläufigeren Joropo Llanero und die mit ihm verbundene, weiter südlich gelegene Landschaft der Llanos (Ebenen) teilt sich Venezuela dagegen mit Kolumbien. „Der Joropo verwirft das Paradigma der rhythmisch binären Musik“, erklärt Sänger und Percussionist Rafa Pino. Der Verfasser der gewitzt-intelligenten, mal amourösen, mal sozialkritischen Poesien von El Tuyero deutet einen vertrackten Sechsachtelrhythmus an. „Das hat einfach Groove, Beat. Wir versuchen, mit dieser weltweit bestehenden Idee zu brechen, dass Musik mit Dreierrhythmen nicht tanzbar sei. Man muss sie eben einführen und entwickeln.“ In dieser Mission sind die beiden mit der Materie sachkundig und sorgsam umgehenden Interpreten weder die Ersten noch die Einzigen, jedoch herausragend in der Szene dieser auch mit Caracas verbundenen Musik.

... mehr im Heft.