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Backkatalog   Ausgabe Nr. 4/2019   Internetartikel
»Ein Jahr braucht man schon, um in eine existierende Session reinzuwachsen.«
Tilo Helfensteller
Session in der Orange in Bremen-Findorff * Foto: Nicole Bethge

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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„You can really make the fiddle talk“

Sessions im deutschen Nordwesten

Die sogenannte Session ist das Herzstück der traditionellen irischen Musik – auch in Deutschland. Bei einer irischen Session geht es allerdings um weit mehr als nur um Musik. Aus Tönen wird soziale Interaktion und schlussendlich eine Gemeinschaft. Ein exemplarischer Blick auf die Sessionlandschaft in Nordwestdeutschland.

Text: Jean-Oliver Groddeck

Der Schnoor an einem Dienstagabend im Februar. Es regnet, was in Bremen keine Seltenheit ist. Die kleinen Gassen und Fachwerkhäuschen des historischen Gängeviertels leuchten im orangenen Licht der Straßenlaternen. Wo sich bei Tageslicht tausende Touristen hindurchdrängeln, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Aber nur scheinbar. Denn auf einmal erklingt ein Dudelsack hinter einem Fenster, bald darauf stimmen Bouzouki, Querflöte, Akkordeon und Fiddle mit ein. Wer durch das kleine Fenster hindurchblickt, sieht acht Musikerinnen und Musiker um einen kleinen Tisch herumsitzen. Sie haben ein Getränk vor sich stehen und spielen eine Tanzmelodie nach der anderen, sogenannte Tunes. Es ist das typische Setting einer irischen Session. Wobei irisch hier nur ein loser Sammelbegriff ist, denn die gespielten Tunes kommen auch aus Schottland oder Kanada, seltener aus England, Galicien, der Bretagne oder den Appalachen. Oftmals sind die Wurzeln nicht mehr zurückzuverfolgen. Jahrhundertealte Tunes werden ebenso interpretiert wie zeitgenössische Kompositionen.
Das Konzept einer irischen Session mutet zwar traditionell an. Tatsächlich entstand es erst in den Fünfzigerjahren, als irische Auswanderer sich in Londoner Pubs zu Sessions zusammenfanden. Die Bremer irische Session trifft sich jeden ersten Dienstag im Monat in einem der ältesten Bauten der Stadt: im Künstlerhaus Ausspann. Vor einem Jahr musste sie aufgrund der Schließung der Orange, Bremens traditionsreicher Gaststätte am Findorffmarkt, umziehen. Die kleine Kneipe war seit 2012 Treffpunkt für die Sessionmusikerinnen und -musiker gewesen. Bereits in den Neunzigerjahren hatte man sich dort zum Musizieren getroffen, und einmal hatten sogar die Dubliners nach einem Auftritt vorbeigeschaut. Allerdings ist der tatsächliche Austragungsort für eine Session nur bedingt relevant, denn anders als gemeinhin angenommen, darf eine Session auch außerhalb eines Irish Pubs stattfinden. Von viel größerer Bedeutung sind die Musikpraxis und das Gemeinschaftsgefühl. Und um dieses zu erleben, nehmen Interessierte teilweise lange Fahrzeiten auf sich und reisen aus über hundert Kilometern Entfernung an, beispielsweise aus Ostfriesland.

Ein Überblick über die aktuellen Sessions nicht nur in Nordwestdeutschland – und nicht nur für irische Musik – findet sich in der Service- und Terminbeilage im Abschnitt „Etcetera“ unter „Regelmäßige Termine: Sessions/Offene Bühnen“.

Info:
Jean-Oliver Groddeck verfasste 2018 seine Masterarbeit im Fach Musikwissenschaft an der Universität Oldenburg mit dem Titel You can really make the fiddle talk – „Keltische“ Musik im Nordwesten Deutschlands.

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