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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2018   Internetartikel
»Dass hier eine Musik entstand, die eher Schmerz und Kummer als reine Lebensfreude thematisiert, erscheint vollkommen plausibel.«
Dockery Farms bei Ruleville, Mississippi * Foto: Wolfgang König

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Musik am Olʼ Man River

Der Mississippi Blues Trail

Auf den Spuren der Bluesgeschichte

Die populäre Musik des zwanzigsten Jahrhunderts ist undenkbar ohne den Blues, und der Blues seinerseits wäre nicht vorstellbar ohne Mississippi, den US-Bundesstaat zwischen Tennessee im Norden, Arkansas und Louisiana im Westen, Alabama im Osten und der Golfküste im Süden. Kein anderer Staat hat auch nur annähernd so viele große Bluesmusiker hervorgebracht, auch wenn die meisten erst in Städte wie Memphis, St. Louis oder Chicago abwandern mussten, um überregionalen Erfolg zu haben. Und die Tradition reißt nicht ab, denn noch immer sorgt Mississippi kontinuierlich für talentierten Nachwuchs. Wer die entscheidenden Stationen der Geschichte dieser Musik selbst besuchen will, dem sei der Mississippi Blues Trail empfohlen.

Text: Wolfgang König

Der Mississippi Blues Trail bezeichnet keine konkrete Reiseroute, sondern bildet ein Netz von mittlerweile zweihundert für die Bluesgeschichte relevanten Punkten, an denen blaue Schilder stehen, sogenannte Bluesmarker, die über die Bedeutung des jeweiligen Fleckens informieren – als Geburtsstadt eines Musikers, als Ort, an dem sich ein bluesgeschichtlich bedeutsames Ereignis zugetragen hat und so weiter. Entwickelt wurde der Trail von der Mississippi Blues Commission, einem Gremium aus Musikwissenschaftlern, Historikern und Lokalpolitikern. Eine ideale Informationsquelle – nicht nur für Reisende – ist die für den Trail entwickelte kostenlose App.
Anders als man vermuten könnte, fließt der Mississippi nicht quer durch den gleichnamigen Staat, sondern bildet dessen Westgrenze. Und anders als zumeist angenommen, liegt das Mississippidelta, die Region, die von den meisten Experten als Wiege des Blues angesehen wird, nicht im Mündungsgebiet des Olʼ Man River. Wo sich der Strom in den Golf von Mexiko ergießt, im Süden des Staates Louisiana, befindet sich das sogenannte Mississippi River Delta. Das Mississippidelta hingegen ist eine Region im Nordwesten des Bundesstaates Mississippi zwischen dem namensgebenden Fluss im Westen und dem Yazoo River im Osten. Südlichster Punkt ist Vicksburg, wo beide Gewässer zusammenfließen. Das nördliche Ende ist die Stadt Memphis, die politisch gesehen Bestandteil von Tennessee ist, historisch-kulturell aber zum angrenzenden Staat Mississippi gehört, und wo sich mit dem Peabody eines der berühmtesten Hotels des US-amerikanischen Südens befindet. Der Autor David L. Cohn drückte es 1935 so aus: „Das Mississippidelta beginnt in der Lobby des Peabody Hotels und reicht bis zur Catfish Row in Vicksburg.“
Wirtschaftliches Rückgrat des Deltas waren von Anfang an die riesigen Baumwollfelder, auf denen allerdings im Unterschied zu anderen Gebieten der Südstaaten zumeist keine Sklaven arbeiteten, weil viele der ausgedehnten Flächen, die der Mississippi regelmäßig überschwemmte, erst nach dem Bürgerkrieg durch Eindeichung landwirtschaftlich nutzbar wurden. Trotzdem stellten Afroamerikaner die meisten Arbeitskräfte – als Lohnarbeiter oder sogenannte Sharecropper, die ein Stück Land pachteten und dafür dem Eigentümer einen Teil der Ernte abtreten mussten. Der eintönige Arbeitsalltag bot wenig Abwechslung. Brachte ein wandernder Bluesmusiker etwas Unterhaltung, konnte er sich ungeteilter Aufmerksamkeit sicher sein, zumal die Songtexte Geschichten erzählten, mit denen sich fast alle identifizieren konnten.

... mehr im Heft.