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Legenden und neue Talente zum AnfassenFestival Sun ArtLegenden und neue Talente zum Anfassen
Klein aber fein, das ist Sun Art, das empfehlenswerteste der etwa eintausendachthundert französischen Sommerfestivals. Im südfranzösischen Pertuis in der Nähe von Aix-en-Provence spielen Stars, die sonst vor riesigem Publikum auftreten, vor ein paar hundert Fans auf einem provenzalischen Schulhof. Wenn Manu Dibango und seine Soul Makossa Gang oder Highlife-Legende Ebo Taylor auf der Bühne grooven, vergessen auch die freiwilligen Helfer und die Veranstalter ihre organisatorischen Aufgaben: Alle tanzen mit vor dem ehemaligen Hospiz, dessen Kapelle als Ausstellungsraum dient. Zeitgenössische Kreationen von Künstlern aus Afrika, der Karibik und Europa reflektieren in Konzerten, Lesungen, Tanzveranstaltungen, Modeschauen, Malerei-, Karikatur- und Fotoausstellungen moderne Afrofusion.
Text: Martina Zimmermann
Paten des Festivals sind Korameister Ba Cissoko und Cheikh Tidiane Seck, die beide zwischen den Welten vermitteln, zwischen ihren Geburtsländern Guinea und Mali und der Wahlheimat Paris und Marseille und dem Rest der Welt. Auf diesem Festival seien Begegnungen und der direkte Austausch unter Künstlern verschiedenster Bereiche möglich, freut sich Cissoko. Der Virtuose auf der Kora zeigt lachend auf seine wunden Hände: „Als ich mir die Tanzkurse anschauen wollte, ließ mich Lamine Djembe spielen.“ Tänzer Lamine Keita führt mit seinen überwiegend weißen Tänzerinnen und Percussionisten vor, wie universell afrikanische Kultur geworden ist.
Cheik Tidiane Seck arbeitete mit Salif Keita, Hank Jones oder Joe Zawinul. Er trat schon in Stadien vor hundertzwanzigtausend Zuschauern auf. An Pertuis liebt er die Übersichtlichkeit: „Hier ist man näher an den Familien dran.“ Das schätzt Cheikh Tidiane Seck am Festival Sun Art. Kommerzielles Showbusiness interessiert das Multitalent nicht. „Wenn Leute Lust haben, zusammenzukommen und alle Vorurteile zu widerlegen, dann ist das eine Fusion nach meinem Geschmack.“ Kunst ist für ihn eine Möglichkeit, gegen Ausgrenzung und Rassismus zu kämpfen. „Das Kennenlernen und die Vermischung der Kulturen weckt sogar bei denen Interesse, die Angst haben und sich am liebsten einschließen möchten.“
Pertuis hat knapp zwanzigtausend Einwohner. Der Ort ist ein typisches provenzalisches Städtchen. Die italienisch anmutenden Häuser haben bunte Fensterläden, Platanen säumen Straßen und Plätze. Die Leute sitzen in Straßencafés, in der Kapelle am Schulhof – dem Festivalgelände – hängt neben der Jungfrau Maria auch ein Porträt des Heimatdichters Frédéric Mistral. Im hiesigen Departement Vaucluse erreichen rechtsextreme Parteien Rekordwerte mit über vierzig Prozent der Wählerstimmen. Dank des französischen Mehrheitswahlrechts haben Front National und Ligue du Sud „nur“ zehn Räte im Conseil Général des Departements. Ausgerechnet hier verwirklichten die Französin Hélène Buisson und der Togolese Jean-Folly Kpodar ihren Traum von einem Festival mit moderner afrikanischer Kultur. Sie erhielten Unterstützung von Stadt, Region und privaten Sponsoren. Wenn man fremde Kulturen präsentiert, sei das in gewisser Weise immer eine politische Aktion, erklärt Buisson. Das Ehepaar wollte „sein“ Festival nicht in Paris, Marseille oder einer kosmopolitischen Großstadt veranstalten. „Gerade hier auf dem Land ist es wichtig zu zeigen, dass das Zusammenleben nicht nur möglich, sondern auch bereichernd ist.“
Sun Art setzt sich mit seinem qualitativ hochwertigen Programm langsam aber sicher durch. Das gemischte Publikum kommt aus der ganzen Region und sogar aus Marseille, wo doch viele andere Festivals stattfinden. Neben den Stars sind immer wieder auch neue Talente zu entdecken: ob Stimmenwunder Sandra Nkaké, die Afrorockerz, die als musikalische Enkel der
Talking Heads und von Nina Simone gelten, oder Drunksouls mit ihrem originellen Punkrock-Reggae.
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