Auswahldiskografie:
Between Two Shores (Anti-, VÖ: 19.1.2018)
Didn’t He Ramble (Anti-/Warner, 2015)
mit Markéta Irglova
Strict Joy (als The Swell Season; Anti-, 2009)
Once (Soundtrack; Canvasback, 2007)
mit den Frames
Longitude (Anti-, 2015)
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Charismatiker mit BodenständigkeitGlen HansardEiner, der Mut macht
Der Saal ist stockdunkel, Menschen drängen, Handys und Notbeleuchtung glimmen, die Luft staut sich vor Erwartung. Glen Hansard kommt vor die Bühne, eröffnet das Konzert ohne Verstärkung, zupft und hämmert die Saiten seiner Gitarre und singt mit einer Stimmkraft, die tief berührt. Die Darbietung steigert sich wie Ravels „Boléro“, die Dynamik, mit der Hansard den Saal elektrisiert, ist so, als wäre er schon bei der Zugabe angelangt. Dann wird die Bühne in gleißend-grelles Scheinwerferlicht getaucht, die fulminante Band mit Bläsern und Streichern betritt die Szenerie und der Hauptdarsteller steigt auf die Bühne. Der irische Singer/Songwriter und Oscarpreisträger ist in jeder Situation ein Charismatiker, der Authentizität verkörpert, egal ob hautnah, auf der Leinwand oder im Konzert.
Text: Stefan Sell
Das Innencover seines letzten Albums zeigt einen alten Schuh und ein weißes Kreuz. Der Hinweis, dass die Gestaltung sehr an Beuys erinnere, bringt Hansard im Gespräch zum Lachen. „Ich liebe Beuys“, sagt er. „Man könnte ihn als einen meiner großen Einflüsse bezeichnen. Ich entdeckte ihn für mich, als ich zwanzig war, er hat jedes Albumcover meiner Band, der Frames, überhaupt alle Illustrationen, die ich verwendet habe, beeinflusst. Er ist ein sehr wichtiger Künstler für mich, ich bin ein großer Fan.“ Beuys liebte Irland, bezeichnete die Insel als „das Gehirn Europas“ und pflanzte dort auf dem Hill of Uisneach, einem einstigen Zentrum spiritueller Macht, siebentausend Eichen.
Didn’t He Ramble heißt das Werk, auf dem der Beuysʼsche Schuh zu sehen ist. Die darauf befindliche Hymne „Her Mercy“ verfasste Hansard auf dem Flug von Neuseeland nach Australien, ein inständiges Gebet mit der Kraft eines Gospels. Das letzte Stück des Albums, „Stay The Road“, veranschaulicht seine Leidenschaft dafür, niemals aufzugeben. „Jeder geht seinen Weg, und dieser Song ermutigt, zentriert und wahrhaftig zu bleiben, dranzubleiben an dem, was man tut. Wenn du total müde bist, am Boden, einfach am Ende, dann erinnere dich immer daran, dass du geliebt und wertgeschätzt wirst.“ Die Frage, ob sich sagen ließe, eine seiner Maximen, um anderen Mut zu machen, sei: „Mach Kunst und gib nicht auf!“, lässt ihn wieder lachen, und er meint: „Ja, das könnte man so sagen.“
Aber wie geht es ihm selbst mit dem Dranbleiben, mit der Zeit für Freunde und Familie – sind das nicht generell die wichtigen Fragen? „Absolut, das sind die wirklich wichtigen Fragen, die Dinge, die wir klar vor Augen haben müssen. Es gibt Zeiten als reisender Musiker, in denen diese Fragen vernachlässigt werden, und ich kann mich sehr glücklich schätzen, Familie und Freunde zu haben, die verstehen, was ich mache. Aber ebenso gibt es die, die sagen: ‚Wo warst du? Warum hab ich dich seit sechs Wochen nicht mehr gesehen?ʻ Und ich muss antworten: ‚Das ist eben das, was ich mache.‘ Es ist für alle ein großes Opfer, die ihr Leben dem ständigen Unterwegssein und Singen widmen. Da besteht die Gefahr, auf dem Weg andere Dinge wie Freunde und Familie zu verlieren. Deshalb ist es wirklich wichtig, achtsam zu bleiben.“
... mehr im Heft. |
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