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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2014   Internetartikel
» Keine Modernisierung, sondern mutwillige Zerstörung, die durchaus fundamentalistische Züge trägt! «
Wolfram Steinbeck (Musikwissenschaftler, Universität Köln, Mitglied der Evaluierungskommission von 2009)
Die neue Heimat des Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg * Foto: Andreas Schwarzkopf, Wikipedia

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Warum Volkslieder? Wir haben doch Schlager!

Das Deutsche Volksliedarchiv

Abwicklung statt Jubiläumsfeier

Seinen hundertsten Geburtstag durfte das Deutsche Volksliedarchiv (DVA) nicht mehr feiern: Anfang 2014 wurde Deutschlands einzige Einrichtung für wissenschaftliche Volksliedforschung umgestylt in ein Institut, das sich mit Themen der Pop- und Schlagermusik beschäftigen soll. Die bislang unmittelbar dem Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg unterstellte Forschungseinrichtung wurde der Universität Freiburg angegliedert und umgetauft in „Zentrum für Populäre Kultur und Musik“ – ein „zeitgeistig wirkendes Wischiwaschi-Etikett“, kommentierte die Badische Zeitung zutreffend. Die von der Öffentlichkeit fast nicht wahrgenommenen Vorgänge um das weltweit renommierte (ehemalige) DVA sind ein Lehrstück für akademische Inkompetenz, Arroganz und Willkür. Sie zeigen darüber hinaus den geringen Stellenwert von Volksliedforschung in den Augen von Politik und Verwaltung.

Text: Tom Daun

Der Volkskundler John Meier hatte das DVA im Mai 1914 mit dem Ziel gegründet, das deutschsprachige Liedrepertoire wissenschaftlich zu dokumentieren. Wenige Jahre später stellte er dem Institut sein Wohnhaus, eine stattliche Jugendstilvilla in der Freiburger Silberbachstraße, als Domizil zur Verfügung. Jahrzehntelang koordinierten die Mitarbeiter von hier aus Feldforschungen in ganz Deutschland, aber auch in die deutschen Sprachinseln Osteuropas, um Varianten von Volksliedern zu sichten und zu sammeln. Die Villa in der Silberbachstraße wurde zugleich zum deutschen Zentrum der historischen Liedforschung.

Etwa eine Viertelmillion Liedbelege kamen seitdem allein durch Feldforschungen zusammen: Liedflugblätter, handschriftliche und gedruckte Gesangsbücher, Liedpostkarten, dazu historisches Bildmaterial, Tonträger, Transkriptionen, später auch Songbücher des Folkrevivals oder Lieder der Anti-AKW-Bewegung – ein ungeheurer Schatz wertvoller Dokumente zur deutschen Geschichte aus der Zeit zwischen dem sechzehnten Jahrhundert und der Gegenwart. Viele der Liedtexte spiegeln oder kommentieren geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen aus der Sicht einfacher Menschen und sind wertvolle Quellen der Oral History.

Unterhaltungsmusik wurde in den ersten Jahrzehnten der Forschungsarbeit des Instituts kaum berücksichtigt. Spätestens in den Siebzigerjahren orientierte sich das Volksliedarchiv jedoch um. Schwerpunkt war seitdem die Erforschung des Liedrepertoires in allen Facetten, also etwa auch die Variantenbildungen zu Schlagern oder die Bedeutung des Singens im sozialen Umfeld. Damit reagierte das Institut auf die Entwicklung der Volkskunde hin zu einer empirischen Kulturwissenschaft. Der ästhetisch-wertende Blick früherer Forschergenerationen wurde abgelegt, die konservative Orientierung früherer Jahrzehnte wich einer Öffnung hin zu einer objektiven Betrachtung der Phänomene Volkslied und Singen im Alltag. Dabei blieb die Gesangspraxis der „einfachen“ Leute im Mittelpunkt des Interesses.

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Laudator Eckhard John und Barbara Boock mit Ehren-Ruth 2014 für ihre Arbeit im DVA * Foto: Ingo Nordhofen
Laudator Eckhard John und Barbara Boock mit Ehren-Ruth 2014 für ihre Arbeit im DVA * Foto: Ingo Nordhofen