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Paris, Lisboa (Warner, 2019)
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Er sang nicht nur einen SommerSalvador Sobral
ESC-Gegner wurden 2017 womöglich eines Wohlklingenderen belehrt, als ein schlaksiger, in unglamouröses Schwarz gewandeter junger Portugiese für sein Heimatland die Gewinnertrophäe einheimste. Sein seelenvoller Auftritt mit der von Schwester Luísa komponierten Ballade „Amar Pelos Dois“ erweist sich im Nachhinein als in doppelter Hinsicht einmalig und hilfreich für den weiteren Werdegang des eigenwilligen Sängers.
Text: Katrin Wilke
Ach, dieser herzkranke ESC-Gewinner? Dies hört man meistens, fragt man Leute nach Salvador Sobral. Tatsächlich bekam der gebürtige Lissabonner schon bald nach jenem Triumph in Kiew ein neues Herz eingepflanzt. Mittlerweile wirkt er physisch nicht mehr so fragil wie beim Auftritt bei jener weltgrößten Musikveranstaltung. Der genesene 29-Jährige strotzt heute, zwei Jahre später, vor Energie. Davon samt seiner spleenigen Heiterkeit konnte man sich bei seinen allerersten Deutschlandkonzerten im April überzeugen. Dabei genoss er nach eigener Aussage schon vor seiner heiklen Operation das Leben in vollen Zügen – das zeigen ältere, teils auch privat verfertigte Musikaufnahmen.
Die Geschichte vom schwerkranken, hochbegabten Knaben mit der Nachtigallenstimme, dem so plötzlich Weltruhm und ein zweites Leben zuteilwerden: Stoff für eine gefühls- und klischeeträchtige Telenovela. Doch der humor- und ironiebegabte Sänger winkt ab. In den langen Krankenhauszeiten sei das neue Album nicht herangereift, so anrührend seine Fans das auch fänden. Dabei ist der stark von Literatur und Film inspirierte Künstler selbst Romantiker. Allein seine hohe, mitunter schnörkelig-theatralische Gesangsstimme verrät das. Ebenfalls die mit eigenen Texten versehenen oder komplett von anderen, zum Beispiel seiner versierten Singer/Songwriter-Schwester oder seinem Studienkumpel, dem Venezolaner Leonardo Aldrey komponierten Lieder – gerne Boleros, auch jazzballadeske Songs seiner brasilianischen Idole.
Der muntere, gar nicht altmodisch wirkende Freigeist scheint aus der Zeit gefallen. „Das sagen mir viele Leute. Ja, ich bin eine alte Seele, dachte auch immer, ich hätte wegen der Musik gerne in den Zwanzigern gelebt“, so Salvador Sobral, der wie dazu passend seine Deutschlandkonzerte mit „Kein Schwein ruft mich an“ beschloss. Den Song intonierte der offenbar Sprachbegabte – Sprachen sind für ihn so wichtig wie Musik – in passablem Deutsch, mit Max Raabes Retrocharme, sich dabei selbst am Piano begleitend. „Damals hätte ich aber mit meiner Krankheit nicht überlebt, bin also sehr froh und dankbar, in jetzigen Zeiten mit dieser Medizintechnologie geboren zu sein“, so der pragmatisch-nüchterne Schluss. Der urige Shootingstar adeliger Abstammung schließt übrigens aus, noch einmal beim Eurovision Song Contest mitzumachen, wie er dem Journalisten und ESC-Experten Jan Feddersen gegenüber kundtat. Nachzulesen auf der Website des Events samt der „Androhung“, dass wenn er 2019 in Israel aufgetreten wäre – Sobral sagt „Palästina“ –, dann in einem „Free-Palestine“-T-Shirt.
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