Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Backkatalog   Ausgabe Nr. 2/2018   Internetartikel
»Viel von der Kraft unserer Freiheitsbewegung in den USA hat seinen Ursprung in der Musik.«
Martin Luther King
National Civil Rights Museum in Memphis, Tennessee - der Kranz bezeichnet die Stelle, an der Martin Luther King erschossen wurde * Foto: Wolfgang König

[Zurück zur Übersicht]



Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

Oder gleich zum (Schnupper-)Abo.









We Shall Overcome

Musik und Bürger­rechts­be­we­gung in den USA

Von der Sklavenzeit bis zur Gegenwart

Memphis, Tennessee, 4. April 1968. Es ist fast genau ein halbes Jahrhundert her. Dr. Martin Luther King Jr. und sein Team haben sich im Lorraine Motel einquartiert, einer der wenigen Herbergen der Stadt, die afroamerikanische Gäste aufnehmen. Die Bürgerrechtsaktivisten sind gekommen, um den Streik der fast ausschließlich schwarzen Mitarbeiter der Müllabfuhr zu unterstützen, die miserabel bezahlt werden, keiner Gewerkschaft beitreten dürfen und jederzeit gefeuert werden können. Auf dem Balkon vor seinem Zimmer bespricht MLK, wie er bis heute kurz genannt wird, die abendliche Kundgebung. Den Saxofonisten und Orchesterleiter Ben Branch bittet er, im Anschluss an die Versammlung das Spiritual „Precious Lord, Take My Hand“ anzustimmen, und sagt: „Spiel es bitte wirklich schön.“ Im nächsten Moment trifft ihn eine von der gegenüberliegenden Straßenseite abgefeuerte Gewehrkugel, eine Stunde später ist Martin Luther King tot.

Text: Wolfgang König

Dass seine letzten Worte einem Lied galten, kann als symptomatisch für die enge und überaus komplexe Beziehung zwischen Musik und Bürgerrechtsbewegung gesehen werden, die zudem nicht nur Songs betraf. Nachdem er auf Einladung des Westberliner Bürgermeister Willy Brandt im September 1964 die geteilte Stadt besucht hatte, schrieb Martin Luther King wenige Wochen später das Vorwort für das Programmheft der ersten Berliner Jazztage (heute Jazzfest Berlin). Darin heißt es: „Jazz spricht über das Leben. Der Blues erzählt von den Widrigkeiten des Lebens, und wer darüber nachdenkt, erkennt, dass Blues und Jazz aus den härtesten Seiten des Daseins Klänge machen, die uns neue Hoffnung geben. Der moderne Jazz führt diese Tradition weiter, beschreibt die Probleme einer komplizierteren urbanen Realität. Wenn das Leben weder Ordnung noch Bedeutung zu haben scheint, dann schafft der Musiker beides durch den Klang, der sein Instrument durchfließt. Es wundert darum nicht, dass Jazzmusiker einen entscheidenden Beitrag zur Identitätsfindung der amerikanischen Schwarzen leisteten. […] Viel von der Kraft unserer Freiheitsbewegung in den USA hat in dieser Musik seinen Ursprung. Ihre Rhythmen und Harmonien haben uns Kraft gegeben, wenn der Mut zu sinken begann. […] Jazz hat die Welt erobert, denn der Kampf von uns schwarzen Amerikanern ist Teil einer globalen Bewegung. Jeder hat den Blues. Jeder sucht Anerkennung, möchte lieben und geliebt werden. […] Auf dem Weg dorthin ist Musik, und nicht zuletzt all das, was Jazz genannt wird, ein wichtiger Schritt.“
Ihre Wurzeln hat die Wechselwirkung zwischen Musik und Bürgerrechtsbewegung in der Sklavenzeit. Obwohl in den USA im Unterschied zu Lateinamerika ein wichtiger Teil der afrikanischen Tradition verlorengegangen war, weil den Sklaven das Trommeln untersagt wurde – eine hin und wieder gestattete Ausnahme gab es auf dem legendären Congo Square von New Orleans –, überlebten viele essenzielle afrikanische Musizierprinzipien, vom Call-and-Response-Gesang bis zur Funktionalität von Musik. Und so wurden Lieder eine wichtige Form der Kommunikation.

... mehr im Heft.